Die Fehlende Macht Der Guten Menschen

ein Stück Text, in dem ich dafür plädiere, Gegengewalt neu zu lernen

Hinweis: Text beschreibt (angedeutet) sexualisierter Gewalt, Umgang mit „Grapschern“, Mobbing

Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Nella als Gastbeitrag zur Verfügung gestellt.

 


 

Wir wurden falsch sozialisiert.

Bestimmt geschah das nicht aus böser Absicht, eher mit dem Vorsatz, künftige Generationen gewaltfreier zu erziehen, aber es ließ uns hilflos zurück in einer nicht-gewaltfreien Welt.

Wir lernen als Kinder, dass immer alles supi ist. Wenn es einen Bilderbuchkonflikt gibt, kann man darüber reden, es war gewiss ein Missverständnis, dann lachen wir darüber und trinken alle zusammen einen Kakao.

Wenn uns in der realen Welt Gewalt begegnet, wird sie wegerklärt. Wir wurden gemobbt? Das meinen die nicht so. Du musst das falsch verstanden haben. Du musst es ihnen verzeihen (ohne, dass es ihnen leidtun müsste). Versuche, ihnen aus dem Weg zu gehen. Etwas anderes kann man da nicht machen. Es wird mit den Schultern gezuckt.

Im konkreten Fall, wenn mal ein_e Lehrer_in eine_n Mobber_in erwischt, wie si_er etwas von dir kaputt macht, musst du di_em, di_er dich immer quält, vor allen die Hand geben und verzeihen. Ohne dass es dem Arsch leid täte, und alle wissen das; es ist eine öffentliche Demütigung des Opfers, dazu bestimmt, dass es künftig auch in deinem Interesse ist, die Gewalt gegen dich zu decken, geheimzuhalten, wenn möglich zu leugnen.

Wir lernen also „Gewaltvermeidung“, haha, welche Gewalt eigentlich, hier gibt es nichts zu sehen, geht weiter.

Die, die sich die Gewalt von vornherein nehmen, lernen, dass das ok ist; dass das „toleriert“, aus Hilflosigkeit ignoriert und von allen gedeckt wird.

Irgendwann lernt man vielleicht aus Versehen, sich zu wehren. Wer dem Bully eine in die Fresse brettert ist dann leider Aggressor_in, denn die Anfangsgewalt existiert ja nicht. Wer körperlich unterlegen ist, denen bleibt Verbalgewalt.

Ich habe gelernt, meine Mobber verbal fertig zu machen. Ich habe es geschafft, dass andere über sie lachten. Ich lernte das, ich musste es lernen – aber ich brachte es mir selbst bei und niemand erklärte mir jemals, dass DAS auch Gewalt ist, dass ich da eine Waffe hatte. Dass es in der Situation durchaus angebracht war, mich effektiv zu verteidigen, dass ich damit aber aufpassen musste, und sie in friedlichen Situationen wegstecken sollte.

Es gibt ja gar keine Gewalt ☺ Wir sehen nichts ☺

Ich persönlich packte meine Zunge nie weg, ich benutzte sie pro-aktiv, damit gar niemand auf die Idee kam, sich mit mir anzulegen. Das ist Gewalt, die ich gegen Unschuldige verübte, weil ich rein gar nichts von Gewalt wusste, nur dass es sie ja nicht gab.


 

Nähkästchenteil: wen’s anödet, scrolle nach unten; unten gibt’s natürlich noch Nazis.

(Ich möchte dies mir selbst vor 15 Jahren schicken können. Ich wollte wirklich Antworten, bekam aber keine.)

Irgendwann organisierte ich Wochenendveranstaltungen mit. Es gab einen Creep. Wir diskutierten oft, was wir mit ihm tun könnten, es lief immer nur darauf hinaus, dass ihn jemand mal wieder freundlich zur Seite nahm und mehr oder weniger kryptisch darum bat, sein Verhalten zu überdenken. (aka „Konfliktlösung: drüber reden; lieb sein“) Da sich nie etwas änderte, waren wir am Ende unserer Möglichkeiten angelangt. Wir konnten da nichts mehr tun. (Das sage ich heute sarkastisch. Damals war es wahr.)

Unsere Strategie bei den kleinen Cons war es, ihn nicht einzuladen, wenn er von sich versucht hätte, sich anzumelden, hätten wir versucht zu lügen, dass wir schon ausgebucht seien; im schlimmsten Fall hätten wir ihn auch hier geduldet.

Das kann man „keinen Arsch in der Hose“ nennen, aber es war die Hilflosigkeit von Menschen, die ihrer Erziehung gemäß rechtschaffen sein wollten – wir fühlten, dass wir IHM Gewalt antaten, wenn wir ihn ausschlossen, und hatten nie gelernt, die Gewalt, die er uns allen antat zu identifizieren, angemessen zu benennen und angemessen zu handeln, stattdessen ließen wir ihn weiter Leute belästigen.

(Ich sage hier übrigens natürlich nicht, wir hätten ihn – als Con-Veranstalter_innen – zusammenschlagen sollen, aber wir hätten Recht und PFLICHT gehabt, ihn offiziell aufgrund von mehrfachen Beschwerden sein Verhalten betreffend ohne Diskussion jetzt und zukünftig auszuschließen. Und das empfand ich damals als ungebürlich harsch, bzw dürfen wir sowas überhaupt, etc. Und ja, mich hatte er da auch schon begrapscht.)


 

Nazis. Ihr Erscheinen ist schon Gewalt, ihre Tattoos, ihre T-Shirts sagen „ich will dich und/oder andere „weg haben“. (Lest, was @hrmpfm schreibt! Tut, was @hrmpfm sagt! (Link führt zu einem Twitter-Thread))

Sie sind überall, und wo sie nicht direkt sind ist das faschistische Volk und die „konservative“ Familie. Wenn die den Mund aufmachen und süffisante Hetzreden zum besten geben, ist das Gewalt. Wir BEWAHREN den Frieden nicht durch Schweigen, wir stehen nur untätig herum und lassen die Gewalt stellvertretend zu. Auch wenn das bei Omis Geburtstag passiert. Wenn dein Cousin auf die weiße Tischdecke kackt, bewahrst du nicht den Familienfrieden und lachst nachsichtig. Oder vielleicht doch, weil es dir nie beigebracht wurde, adäquat zu reagieren und es dir ausgetrieben wurde, wenn du es versuchtest.

Am Ende habe ich kein Rezept dagegen, außer dem Versuch, mich selbst umzuerziehen, aktiv gegen die Gehirnwäsche anzudenken, was Gewalt sei und wo es nichts zu sehen/tun gibt.

Ha, ich habe leicht reden, da meine Familie tot ist. Ja, momentan kann ich tatsächlich nicht mehr danach handeln, was ich predige, und ich hatte nie einen schlimmen Onkel, den ich an Weihnachten tolerieren sollte, dafür war unser Familienfrieden 24/7 gestört. Durch mich. Das böse Kind. Das immer den armen Papa antagonisierte, wenn der fand, unter Hitler hätte es irgendetwas nicht gegeben. Ich habe 365 Tage im Jahr damit gelebt, bekommt bitte den Arsch an Weihnachten hoch! Bitte! Und nein, ihr tut der Familie damit keine Gewalt an, die Gewalt kam zuerst. Zieht euch den Schuh nicht an, haut ihn lieber der AFD-Schwägerin in die Fresse.

Und nein, man kann es auch nicht einfach mit Humor nehmen. Das heißt, über die Opfer auch noch zu lachen, kleinzureden, dass sie das verständlicherweise nicht lustig finden können. Du darfst nur mit Humor nehmen, was dich alleine selbst betrifft (und auch dann ist es kein Mittel, Gewalt zu beenden. Erst schlagen, dann ein lässiger Spruch, ok, Buffy-in-Ausbildung?)