Selbstorganisation: realistische Tips

Es gibt unheimlich viele Texte, die beschreiben, wie Menschen sich dazu motivieren sollen, Dinge zu tun. Ich weiß nicht, für wen diese Tips geschrieben wurden, aber mit Sicherheit nicht für Leute wie mich.

In diesem Post will ich ein paar Tips für Leute wie mich zusammenstellen, die große Probleme mit Selbstorganisation haben oder damit, Dinge rechtzeitig oder überhaupt zu erledigen (siehe den Post exekutive Dysfunktion). Ich werde auch auf den Umgang mit Ängsten eingehen. Ich werde allgemeine Tips für die Benutzung von Organisations-Werkzeugen (Planer, Kalender, Listen…) zusammenstellen und am Ende verschiedene dieser Werkzeuge vorstellen und verlinken.

Ich kann nicht garantieren, dass diese Tips euch helfen, aber ich hoffe, dass sie zumindest für manche von euch nützlich sind!

1. Wie fange ich überhaupt an?

Wenn du überhaupt keine Organisation hast und (so wie ich) gar nichts auf die Reihe kriegst, kann es gut sein, von „unten her“ aufzubauen. Das heißt, zuerst die einfachen Dinge in den Griff zu kriegen, die dir keine Probleme bereiten werden.

Dabei geht es darum, den Tagesablauf und die regelmäßig anfallenden Aufgaben zu strukturieren, damit dir nicht unbedingt nachts um halb 2 nach dem Zähneputzen einfällt, dass du noch das Katzenklo putzen musst.

Hierbei ist es wichtig, ohne Druck zu arbeiten. Es darf kein Leistungsdruck entstehen. Du brauchst schaffbare Aufgaben und ein System, das auch Fehler verzeiht. Das Organisationssystem für die grundlegenden Dinge darf nichts enthalten, was dir Angst macht oder dich überfordert. Hier soll ein Hilfsmittel eingesetzt werden mit dem Ziel, den Energieaufwand für die Dinge zu verringern, die du sicher tun kannst. So bleibt am Ende mehr Energie für andere Dinge übrig und an schlechten Tagen schaffst du möglicherweise auch mit wenig vorhandener Energie dein Minimum.

Du könntest dir zum Beispiel eine Liste anlegen mit den täglich anfallenden Aufgaben, etwa: Zähneputzen, Frühstücken, Duschen, und so weiter. Wenn du diese Liste täglich benutzt, kannst du so den Kopf frei behalten für andere Dinge.

2. Angstbesetzte und große oder unangenehme Aufgaben

Dinge, die dir Angst machen, solltest du nicht auf derselben Liste notieren wie die grundlegenden Aufgaben. Wenn du zum Beispiel ein Notizbuch führst, sollten sie auf einer ganz anderen Seite stehen.

Es ist wichtig, dass dich die Angst vor wichtigen oder anstrengenden Aufgaben nicht davon abhält, die kleinen Dinge zu organisieren!

Bei großen, komplexen Aufgaben kann es helfen, sie in ihre Einzelschritte zu zerlegen und immer nur einen Schritt auf einmal zu machen. Wenn ich zum Beispiel die ganze Küche putzen muss, erschlägt mich diese riesengroße Aufgabe. Statt dessen schreibe ich mir jeden einzelnen Schritt auf: Den Kühlschrank ausmisten, das schmutzige Geschirr einsammeln, abwaschen und so weiter.

Bei Dingen, vor denen du Angst hast, kann es helfen, sich langsam heranzutasten.

Wenn ich zum Beispiel telefonisch einen Arzttermin ausmachen muss, verteile ich das auf mehrere Tage: Am ersten Tag suche ich mir eine Arztpraxis aus. Dann weiß ich schon ungefähr, was ich vorhabe, und wenn ich mir am zweiten Tag die Website anschaue, ist das nicht mehr so unheimlich. Am dritten Tag prüfe ich die Öffnungszeiten. Am vierten Tag rufe ich an.

Manchmal muss ich zwischen den einzelnen Schritten mehrere Tage Pause machen, um mich zu erholen. Das ist okay. Ich brauche eben unter Umständen ein paar Wochen, um einen Arzttermin auszumachen. Aber Schritt für Schritt wird die Aufgabe weniger bedrohlich.

3. Wenn gar nichts klappt und alles zu viel ist

Ich weiß, dass die meisten „Motivations-Tips“ sagen, dass du dich einfach zusammenreißen und das Zeug trotzdem machen sollst.

Das funktioniert vielleicht für manche Menschen, aber wenn du hier sehnsüchtig auf einen guten Tip hoffst, funktioniert es für dich offensichtlich genausowenig wie für mich.

Also hier der radikale Gegenvorschlag:

Mach weniger.

Und das meine ich ernst.

Du müsstest heute noch Geschirr spülen, einkaufen gehen, deine Hausarbeit schreiben und eine E-Mail beantworten, aber du hast keine Energie und das ist alles zu viel?

Okay.

Such dir eins von den Dingen aus. Das allerwichtigste. Und mach nur das. Danach hast du dir die Ruhe verdient, die du offensichtlich brauchst.

Und wenn das auch nicht klappt, dann lass es. Einfach so. Mach gar nichts.

Entscheide dich so früh wie möglich, deine restlichen Aufgaben für den Tag abzublasen. Denn jede Stunde, die du dich mit dem Gedanken quälst, was du heute alles nicht schaffen kannst, könnte eine Stunde sein, in der du dich statt dessen schonen und erholen könntest. Du hast diese Ruhe verdient.

4. Wie gewöhne ich mich daran, Organisations-Werkzeuge zu benutzen?

Wenn du so unorganisiert bist wie ich, wird es lange dauern und viele Anläufe brauchen, bis du dich an ein System gewöhnt hast.

Die Regel hier ist: Nicht verzagen!

Wenn du einen Eintrag in deinen Kalender machst und den Kalender für zwei Wochen vergisst, dann ist das nicht schlimm. Sobald du wieder daran denkst, mach einfach weiter.

Wenn du am Anfang sehr oft und lange den Kalender vergisst, dauert es vielleicht mehrere Monate, bis der Gedanke daran von alleine kommt. Aber es wird immer häufiger passieren.

Es kann helfen, die Dinge so zu platzieren, dass du sie nicht übersehen kannst.

5. Belohnungen

Überall heißt es immer: Belohne dich, wenn du etwas geschafft hast.

Ich unterschreibe das!

Belohne geschaffte Aufgaben mit Katzenstickern, bunten Zeichnungen in deinem Notizbuch, oder benutze eine App, die dich ganz automatisch für erledigte Aufgaben belohnt.

Aber nimm es nicht zum Anlass, dir Dinge, die dir guttun und Freude bereiten, so lange vorzuenthalten, bis du etwas geschafft hast. Selbstorganisation soll ein Hilfsmittel sein und darf kein Werkzeug werden, um dich zu bestrafen. Du hast Freude und Genuss verdient, auch, wenn du nur sehr wenig schaffst.

Ich möchte dir sogar empfehlen, dir an Tagen, an denen du gar nichts schaffst, ganz bewusst etwas besonders Schönes zu gönnen.

6. Eine kleine Auswahl an Organisationshilfen

6.1. Kalender oder Terminplaner(Papier)

Wir kennen sie alle! Der Vorteil ist, dass sich Termine auch im Voraus einfach eintragen und planen lassen. Der Nachteil ist, dass oft wenig Platz ist für zusätzliche Notizen ist.

6.2. Notizbuch oder Bulletjournal

Wie ein Bulletjournal funktioniert, ist zum Beispiel in diesem Post beschrieben.

Es lassen sich auch beliebige Abwandlungen und Vereinfachungen davon erstellen, die ganz genau den eigenen Bedürfnissen entsprechen.

Ein Notizbuch ist natürlich freier gestaltet als ein Bulletjournal.

6.3. Kanban

Kanban (Wikipedia-Link) ist ein System, in dem Aufgaben in verschiedene Spalten einsortiert werden, zum Beispiel: Zu erledigen, In Arbeit, Warten und Fertig.

Eine Website für Kanban ist zum Beispiel kanbanflow.

6.4. Todo-Listen, Post-Its und Notizzettel

Diese sollten ggf. an strategisch günstigen Stellen in der Wohnung angebracht werden. Grelle Farben und farbliche Markierung können bei der Benutzung helfen.

6.5. Kalender und Erinnerungen auf dem Handy oder PC

Diese haben den Vorteil, dass sie, im Gegensatz zu einem Kalender aus Papier, trotzdem auftauchen, wenn du sie vergessen hast.

6.6. Stoppuhren, Timer

Wenn du das Problem hast, dass du einfach die Zeit vergisst, dich in nutzlosen Aktivitäten verfängst und vor dich hin trödelst, ohne es zu merken, kann es helfen, Stoppuhren und Timer zu benutzen, die dich immer wieder daran erinnern, wie viel Zeit vergangen ist.

Es kann zum Beispiel helfen, die Zeit zu stoppen, wann du zum letzten Mal auf Twitter warst, damit du nicht alle 10 Minuten darauf schaust, sondern nur einmal pro Stunde. Es kann auch helfen, einen Timer zu stellen, damit du daran denkst, regelmäßig zu trinken und vieles mehr.

Eine Webseite, die einen Timer anbietet, ist zum Beispiel tomato-timer.

6.7. Gamification

Habitica ist eine Website und Handy-App, die Todo-Listen, tägliche Aufgaben und vieles mehr beinhaltet. Es ist gleichzeitig ein Spiel. Für erledigte Aufgaben kannst du Münzen sammeln oder Haustiere bekommen.

7. Beispiele (Fotos!)

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5 Gedanken zu „Selbstorganisation: realistische Tips

  1. Danke, das ist ein sehr schöner und vor allem hilfreicher Artikel. Ich suche schon lange nach für mich realistisch umsetzbaren Dingen um meine Exekutive Dysfunktion etwas besser in Bahnen lenken. Dass es sehr lange dauern kann, eine Regelmäßigkeit bzw. Gewohnheit zu implementieren, ist mir in den letzten Wochen schmerzlich bewusst geworden. Umso besser ist es zu lesen, dass ich nicht die einzige bin der es so geht.
    Es macht mir Mut und lässt mich weitermachen und vor allem werde ich einige der Dinge die du hier notiert hast auf jeden Fall ausprobieren 😀

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