Die Fehlende Macht Der Guten Menschen

ein Stück Text, in dem ich dafür plädiere, Gegengewalt neu zu lernen

Hinweis: Text beschreibt (angedeutet) sexualisierter Gewalt, Umgang mit „Grapschern“, Mobbing

Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Nella als Gastbeitrag zur Verfügung gestellt.

 


 

Wir wurden falsch sozialisiert.

Bestimmt geschah das nicht aus böser Absicht, eher mit dem Vorsatz, künftige Generationen gewaltfreier zu erziehen, aber es ließ uns hilflos zurück in einer nicht-gewaltfreien Welt.

Wir lernen als Kinder, dass immer alles supi ist. Wenn es einen Bilderbuchkonflikt gibt, kann man darüber reden, es war gewiss ein Missverständnis, dann lachen wir darüber und trinken alle zusammen einen Kakao.

Wenn uns in der realen Welt Gewalt begegnet, wird sie wegerklärt. Wir wurden gemobbt? Das meinen die nicht so. Du musst das falsch verstanden haben. Du musst es ihnen verzeihen (ohne, dass es ihnen leidtun müsste). Versuche, ihnen aus dem Weg zu gehen. Etwas anderes kann man da nicht machen. Es wird mit den Schultern gezuckt.

Im konkreten Fall, wenn mal ein_e Lehrer_in eine_n Mobber_in erwischt, wie si_er etwas von dir kaputt macht, musst du di_em, di_er dich immer quält, vor allen die Hand geben und verzeihen. Ohne dass es dem Arsch leid täte, und alle wissen das; es ist eine öffentliche Demütigung des Opfers, dazu bestimmt, dass es künftig auch in deinem Interesse ist, die Gewalt gegen dich zu decken, geheimzuhalten, wenn möglich zu leugnen.

Wir lernen also „Gewaltvermeidung“, haha, welche Gewalt eigentlich, hier gibt es nichts zu sehen, geht weiter.

Die, die sich die Gewalt von vornherein nehmen, lernen, dass das ok ist; dass das „toleriert“, aus Hilflosigkeit ignoriert und von allen gedeckt wird.

Irgendwann lernt man vielleicht aus Versehen, sich zu wehren. Wer dem Bully eine in die Fresse brettert ist dann leider Aggressor_in, denn die Anfangsgewalt existiert ja nicht. Wer körperlich unterlegen ist, denen bleibt Verbalgewalt.

Ich habe gelernt, meine Mobber verbal fertig zu machen. Ich habe es geschafft, dass andere über sie lachten. Ich lernte das, ich musste es lernen – aber ich brachte es mir selbst bei und niemand erklärte mir jemals, dass DAS auch Gewalt ist, dass ich da eine Waffe hatte. Dass es in der Situation durchaus angebracht war, mich effektiv zu verteidigen, dass ich damit aber aufpassen musste, und sie in friedlichen Situationen wegstecken sollte.

Es gibt ja gar keine Gewalt ☺ Wir sehen nichts ☺

Ich persönlich packte meine Zunge nie weg, ich benutzte sie pro-aktiv, damit gar niemand auf die Idee kam, sich mit mir anzulegen. Das ist Gewalt, die ich gegen Unschuldige verübte, weil ich rein gar nichts von Gewalt wusste, nur dass es sie ja nicht gab.


 

Nähkästchenteil: wen’s anödet, scrolle nach unten; unten gibt’s natürlich noch Nazis.

(Ich möchte dies mir selbst vor 15 Jahren schicken können. Ich wollte wirklich Antworten, bekam aber keine.)

Irgendwann organisierte ich Wochenendveranstaltungen mit. Es gab einen Creep. Wir diskutierten oft, was wir mit ihm tun könnten, es lief immer nur darauf hinaus, dass ihn jemand mal wieder freundlich zur Seite nahm und mehr oder weniger kryptisch darum bat, sein Verhalten zu überdenken. (aka „Konfliktlösung: drüber reden; lieb sein“) Da sich nie etwas änderte, waren wir am Ende unserer Möglichkeiten angelangt. Wir konnten da nichts mehr tun. (Das sage ich heute sarkastisch. Damals war es wahr.)

Unsere Strategie bei den kleinen Cons war es, ihn nicht einzuladen, wenn er von sich versucht hätte, sich anzumelden, hätten wir versucht zu lügen, dass wir schon ausgebucht seien; im schlimmsten Fall hätten wir ihn auch hier geduldet.

Das kann man „keinen Arsch in der Hose“ nennen, aber es war die Hilflosigkeit von Menschen, die ihrer Erziehung gemäß rechtschaffen sein wollten – wir fühlten, dass wir IHM Gewalt antaten, wenn wir ihn ausschlossen, und hatten nie gelernt, die Gewalt, die er uns allen antat zu identifizieren, angemessen zu benennen und angemessen zu handeln, stattdessen ließen wir ihn weiter Leute belästigen.

(Ich sage hier übrigens natürlich nicht, wir hätten ihn – als Con-Veranstalter_innen – zusammenschlagen sollen, aber wir hätten Recht und PFLICHT gehabt, ihn offiziell aufgrund von mehrfachen Beschwerden sein Verhalten betreffend ohne Diskussion jetzt und zukünftig auszuschließen. Und das empfand ich damals als ungebürlich harsch, bzw dürfen wir sowas überhaupt, etc. Und ja, mich hatte er da auch schon begrapscht.)


 

Nazis. Ihr Erscheinen ist schon Gewalt, ihre Tattoos, ihre T-Shirts sagen „ich will dich und/oder andere „weg haben“. (Lest, was @hrmpfm schreibt! Tut, was @hrmpfm sagt! (Link führt zu einem Twitter-Thread))

Sie sind überall, und wo sie nicht direkt sind ist das faschistische Volk und die „konservative“ Familie. Wenn die den Mund aufmachen und süffisante Hetzreden zum besten geben, ist das Gewalt. Wir BEWAHREN den Frieden nicht durch Schweigen, wir stehen nur untätig herum und lassen die Gewalt stellvertretend zu. Auch wenn das bei Omis Geburtstag passiert. Wenn dein Cousin auf die weiße Tischdecke kackt, bewahrst du nicht den Familienfrieden und lachst nachsichtig. Oder vielleicht doch, weil es dir nie beigebracht wurde, adäquat zu reagieren und es dir ausgetrieben wurde, wenn du es versuchtest.

Am Ende habe ich kein Rezept dagegen, außer dem Versuch, mich selbst umzuerziehen, aktiv gegen die Gehirnwäsche anzudenken, was Gewalt sei und wo es nichts zu sehen/tun gibt.

Ha, ich habe leicht reden, da meine Familie tot ist. Ja, momentan kann ich tatsächlich nicht mehr danach handeln, was ich predige, und ich hatte nie einen schlimmen Onkel, den ich an Weihnachten tolerieren sollte, dafür war unser Familienfrieden 24/7 gestört. Durch mich. Das böse Kind. Das immer den armen Papa antagonisierte, wenn der fand, unter Hitler hätte es irgendetwas nicht gegeben. Ich habe 365 Tage im Jahr damit gelebt, bekommt bitte den Arsch an Weihnachten hoch! Bitte! Und nein, ihr tut der Familie damit keine Gewalt an, die Gewalt kam zuerst. Zieht euch den Schuh nicht an, haut ihn lieber der AFD-Schwägerin in die Fresse.

Und nein, man kann es auch nicht einfach mit Humor nehmen. Das heißt, über die Opfer auch noch zu lachen, kleinzureden, dass sie das verständlicherweise nicht lustig finden können. Du darfst nur mit Humor nehmen, was dich alleine selbst betrifft (und auch dann ist es kein Mittel, Gewalt zu beenden. Erst schlagen, dann ein lässiger Spruch, ok, Buffy-in-Ausbildung?)

Kommunikations-Karten

(English speakers please scroll down to the paragraph: „If you don’t speak German“)

Update vom 9. 7. 2023: Da ich sehe, dass Leute das hier immer wieder herunterladen, habe ich den Download-Link jetzt geändert, dass kein Google-Account mehr dazu erforderlich ist. Ich habe außerdem die Lizenz auf CC0 geändert. Freie Nutzung, Kopie etc. ist zu jedem Zweck und ohne Urhebernennung erlaubt. Wenn ihr die Karten immer wieder weitergebt, speichert euch bitte eine lokale Kopie, denn dieser Blog wird nicht ewig online sein.

Kommunikations-Karten sind dazu da, Sachen zu sagen, wenn Sprechen gerade schwierig ist oder nicht geht.

Ich habe eine große Sammlung von Kommunikations-Karten erstellt, die ihr hier herunterladen und selbst ausdrucken könnt.

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Anleitung

Ihr braucht:

  • Einen Drucker, am besten mit Farbe
  • Eine Schere oder anderes Schneidwerkzeug
  • Ausweishüllen in DIN A7 (74 mm x 105 mm)
  • Die PDF, die ihr unten herunterladen könnt

Sucht euch die Seiten heraus, die ihr haben wollt und druckt sie aus.

Am besten ist dickes, weißes Papier. Aber es geht auch mit dünnem Papier.

Danach schneidet ihr die Karten aus, die euch gefallen.

Steckt die Karten in die Ausweishüllen.

Die Ausweishüllen könnt ihr dann noch mit einer Schnur oder einem Schlüssel-Ring zusammenbinden.

Andere Formate

Wenn ihr die Karten nicht in DIN A7 haben wollt, müsst ihr euch ein eigenes Dokument anlegen.

Ladet die Karten als Bilddateien herunter.

Legt ein neues Dokument an (z.B. mit Word, Libreoffice oder Google Docs) und fügt die Bilder ein.

Stellt das Bild-Format so ein, dass es die richtige Größe hat.

Danach könnt ihr wie oben beschrieben weiter machen.

Downloads

Eine Text-Version der Texte auf den Karten sowie Bildbeschreibungen findet ihr weiter unten.

Erlaubte Nutzung und Rechtliches

Ich ändere am 9. 7. 2023 die Lizenz auf: CC0.

Das bedeutet:

  • Ihr dürft damit alles machen, was ihr wollt, ohne mich als Urheber zu nennen.
  • Ihr dürft die Dateien veröffentlichen, verändern und kommerziell nutzen. Ihr dürft sie kopieren, woanders zum Download anbieten, verändern, ausdrucken und verkaufen.
  • Bei den Bildern, die ich auf den Karten verwendet habe, habe ich darauf geachtet, dass dies ebenfalls der Fall ist.

Die Bilder sind alle von OpenClipart und ggf. angepasst. Alle Grafiken auf OpenClipart sind Public Domain oder CC0, das heißt jegliche Nutzung ist ohne Auflagen erlaubt.

Wünsche und Vorschläge

Ich möchte die Sammlung hier stets erweitern. Wenn ihr noch Wünsche für weitere Kommunikations-Karten habt, hinterlasst gerne einen Kommentar, schreibt uns eine E-Mail oder kontaktiert uns auf Twitter.

If you don’t speak German

Would you like to have German-language communication cards but your language skills are not good enough to choose the ones you need? We’ll be happy to help, send us an email or contact us via twitter!

I am also always happy to make new communication cards if you have specific wishes. Feel free to ask.

If you would like to translate the communication cards, you do not need to ask. Download the vector graphics and go ahead. They are licenced CC0. That means you can freely copy, sell, alter them and publish copies and changed versions of the cards without limitations.

Liste und Bildbeschreibungen

In dieser Liste steht der Text der Kommunikations-Karten. Auf jeder Karte ist zusätzlich noch eine Abbildung, daher gibt es hier auch Bildbeschreibungen.

  1. „Es geht mir nicht gut, aber ich brauche keine Hilfe. Das passiert mir öfter. Ich komme alleine zurecht.“ Bildbeschreibung: Der Umriss einer Hand, die den Daumen nach oben streckt.
  2. „Finger weg!“ Bildbeschreibung: Die Silhouette einer greifenden Hand ist durchgestrichen, ähnlich einem Warnschild.
  3. „Entschuldigung“ Bildbeschreibung: Der Umriss eines Herzens.
  4. „Autismus-Spektrum / Ich bin Autist*in. Deswegen reagiere ich empfindlich auf Geräusche, Berührungen und andere Sinneseindrücke. Mein Verhalten kann ungewöhnlich wirken. Aber so bin ich nunmal! Bitte nehmen Sie Rücksicht.“ Bildbeschreibung: Eine liegende 8 (das mathematische Zeichen für Unendlich) mit einem Regenbogen darin.
  5. Wie 4, aber „Autistin“ statt „Autist*in“.
  6. Wie 4, aber „Autist“ statt „Autist*in“.
  7. „Ich möchte allein gelassen werden. Das liegt nicht an dir. Ich bin im Moment überlastet und brauche Ruhe, um mich zu erholen.“ Bildbeschreibung: Eine stehende Comic-Figur mit geschlossenen Augen und neutralem Gesichtsausdruck steht dem Bildrand zugewendet. Die Figur hat braune Haut und kurze, rötliche Locken. Sie trägt einen hellen Pullover und eine dunkelgraue Hose.
  8. Wie 7, aber „Sie“ statt „du“.
  9. „Ich kann im Moment nicht sprechen. Aber ich kann aufschreiben, was ich sagen will.“ Bildbeschreibung: Eine Linienzeichnung von einem linierten Papier, über dem diagonal ein Füller liegt.
  10. „Ich kann im Moment nicht sprechen. Bitte lass mich in Ruhe und stelle Sie mir keine Fragen. Ich werde sagen, wenn ich wieder reden kann.“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Figur mit X-Mund steht dem Betrachter zugewandt. Sie hat kurze, dunkelblonde Locken, hellbraune Haut und trägt einen blauen Pullover und eine dunkelgraue Hose.
  11. Wie 10, aber „Sie“ statt „du“.
  12. „Diese Situation überfordert mich. Ich kann es hier nicht aushalten. Bitte bring mich an einen ruhigeren Ort.“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Figur mit angespanntem Gesichtsausdruck steht der Betrachterin zugewandt. Sie trägt ihr dunkelbraunes Haar in zwei Dutts. Sie hat braune Haut und trägt schlichte graue Kleidung.
  13. Wie 12, aber „Sie“ statt „du“.
  14. „Zu Laut / Es ist zu laut. Ich kann es nicht aushalten. Bitte mach es leiser. Oder bring mich an einen ruhigeren Ort.“ Bildbeschreibung: Die Silhouette eines Megaphons ist durchgestrichen, ähnlich einem Warnschild.
  15. Wie 14, aber „Sie“ statt „du“.
  16. „Medizinischer Notfall! Bitte rufen Sie sofort einen Krankenwagen! 112″ Bildbeschreibung: Eine vereinfachte Darstellung eines Krankenwagens.
  17. „Ich brauche Hilfe, um meinen Zielort zu erreichen. Adresse vom Zielort:“ Bildbeschreibung: Ein Pfahl mit vielen Wegweisern, die in verschiedene Richtungen zeigen.
  18. „Ich habe komplizierte Gesundheitsprobleme. Bitte beachten Sie meine medizinischen Notfall-Informationen!“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Figur mit Arztkittel steht dem Betrachter zugewandt. Sie hat ein Klemmbrett in den Händen und lächelt. Sie hat dunkelbraune Haut, trägt eine Brille und hat kurzes, schwarzes Haar. Unter dem weißen Kittel trägt sie eine Krawatte und eine dunkle Hose.
  19. „Ich habe eine starke allergische Reaktion. Bitte rufen Sie sofort einen Krankenwagen! 112″ Bildbeschreibung: Eine vereinfachte Darstellung eines Krankenwagens.
  20. „Ich kann dich nicht verstehen. Bitte schreib auf, was du sagen willst.“ Bildbeschreibung: Es sind zwei Bilder. Das erste Bild zeigt zwei Hände mit dunkler Haut, die ein Smartphone bedienen. Das zweite Bild ist eine Linienzeichnung von einem linierten Papier, über dem diagonal ein Füller liegt.
  21. Wie 20, aber „Sie“ statt „du“.
  22. „Ich kann dich schlecht verstehen. Bitte sprich lauter.“ Bildbeschreibung: Die Silhouette eines Megaphons, in Richtung der Linienzeichnung eines Ohres gerichtet.
  23. Wie 22, aber „Sie“ statt „du“.
  24. „Ja“ Bildbeschreibung: Ein grüner Haken.
  25. „Nein“ Bildbeschreibung: Ein rotes X.
  26. „STOP“ Bildbeschreibung: Das STOP ist umrandet von einem roten, achteckigen Rahmen. Die Anordnung erinnert an ein Stoppschild.
  27. „Danke“ Bildbeschreibung: Ein Strauß aus violetten Blumen.
  28. „Bitte fassen Sie mich nicht an.“ Bildbeschreibung: Die Silhouette einer greifenden Hand, die mit einer dicken roten Linie durchgestrichen ist.
  29. Wie 28, aber „du“ statt „Sie“.
  30. „Können Sie mir bitte helfen?“ Bildbeschreibung: Es sind die Silhouetten zweier Hände zu sehen. Eine greift von oben herab, die andere von unten herauf. Die Hände scheinen nacheinander zu greifen.
  31. Wie 30, aber „du“ statt „Sie“.
  32. „Ich habe Ehlers-Danlos-Syndrom. Dadurch sind meine Gelenke sehr empfindlich und ich kann mich leicht verletzen. Deswegen muss ich vorsichtig sein. Das ist normal für mich.“ Bildbeschreibung: Ein Zebra ist von der Seite abgebildet.
  33. „Ich trage einen Gehörschutz, um Hintergrundgeräusche zu dämpfen. Damit kann ich dich besser verstehen. Du kannst ganz normal mit mir reden.“ Bildbeschreibung: Eine lächelnde Comic-Figur ist der Betrachterin zugewandt. Sie hat einen grünen Gehörschutz auf den Ohren. Sie hat braune Haut und trägt ihr dunkelbraunes Haar in zwei Dutts. Sie trägt graue Kleidung.
  34. Wie 33, aber „Sie“ statt „du“.
  35. „Ich habe eine Mastzellen-Störung. Deshalb reagiere ich allergisch auf viele Sachen. Zum Beispiel Nahrungsmittel, Chemikalien oder Gerüche.“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Figur steht dem Betrachter zugewandt. Sie trägt einen weißen Mundschutz. Sie hat langes, glattes braunes Haar, dunkle Haut und trägt einen roten Pullover.
  36. „Mein Rollstuhl gehört zu meinem Körper. Bitte fass mich oder meinen Rollstuhl nicht ungefragt an.“ Bildbeschreibung: Hinter der Comic-Figur einer Person im Rollstuhl ist die Silhouette einer Hand zu sehen, die mit einer dicken roten Linie durchgestrichen ist. Die Person im Rollstuhl lächelt. Sie hat schulterlanges blondes Haar, helle Haut und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Sie trägt einen grünen Pullover und eine blaue Hose.
  37. Wie 36, aber „Sie“ statt „du“.
  38. „Es geht mir gut.“ Bildbeschreibung: Ein lächelnder grüner Smilie.
  39. „Es geht mir nicht so gut.“ Bildbeschreibung: Ein neutral schauender orangefarbener Smilie.
  40. „Es geht mir schlecht.“ Bildbeschreibung: Ein traurig schauender roter Smilie.
  41. „Fatigue / Ich habe Fatigue. Das ist eine starke Erschöpfung, die meinen ganzen Körper betrifft. Ich werde schnell sehr müde. Deswegen muss ich mich oft ausruhen. Das ist normal für mich.“ Bildbeschreibung: Eine stehende Strichfigur ist dem Text zugewandt. Sie ist vornüber gebeugt und lässt die Arme hängen. Sie hat einen traurigen Gesichtsausdruck. Sie sieht sehr erschöpft aus.
  42. „Ich habe eine unsichtbare Behinderung. Obwohl ich gesund aussehe, bin ich stark eingeschränkt.“ Bildbeschreibung: Zwei Theater-Masken, eine lächelnd, die andere traurig. Beide Masken haben je eine schwarze und eine weiße Gesichtshälfte.
  43. „Ich habe eine Behinderung, wegen der es schwer für mich ist, zu gehen oder zu stehen. Darf ich mich bitte setzen?“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Figur sitzt auf einem Hocker und lächelt in Richtung der betrachtenden Person. Sie hat kurzes Haar in Cornrows, dunkle Haut und trägt einen braunen Pullover und eine blaue Hose.
  44. „Ich habe eine Behinderung, die starke Schmerzen verursacht. Deswegen muss ich mich oft ausruhen. Manche Sachen kann ich deswegen nicht machen. Das ist normal für mich.“ Bildbeschreibung: Eine müde aussehende Comic-Figur ist dem Text zugewandt. Sie hat einen traurigen Gesichtsausdruck. Sie hat kurzes dunkelbraunes Haar, helle Haut und trägt einen roten Pullover, auf dem eine lächelnde Sonne zu sehen ist.
  45. „Nein, ich brauche keine Hilfe.“ Bildbeschreibung: Der Umriss einer Hand, die den Daumen nach oben streckt.
  46. „Meine Schmerzen sind gerade sehr stark. Bitte lass mich in Ruhe.“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Zeichnung einer sehr angespannt aussehenden Person schaut in Richtung der betrachtenden Person. Sie kneift ihre Augen zusammen und zieht die Mundwinkel herunter. Sie hat orangefarbene Locken und trägt einen grauen Pullover.
  47. Wie 46, aber „Sie“ statt „du“.
  48. „Ich brauche etwas länger, um meine Gedanken zu ordnen. Bitte sei geduldig und lass mir Zeit zum Reden und Antworten.“ Bildbeschreibung: Eine nachdenklich aussehende Comic-Figur ist der betrachtenden Person zugewandt. Sie hat einen neutralen Gesichtsausdruck und hat eine Hand am Kinn. Sie hat kurzes dunkles Haar, braune Haut und trägt einen weinroten Pullover.
  49. Wie 48, aber „Sie“ statt „du“.
  50. „Ich kann im Moment nicht mehr richtig denken. Ich kann nichts mehr verstehen. Ich brauche Zeit, um mich zu erholen.“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Figur sitzt im Schneidersitz und schaut in Richtung Bildrand. Sie hat einen neutralen Gesichtsausdruck und drei Fragezeichen über dem Kopf. Sie trägt einen rosafarbenen Pullover mit einem pinken Stern darauf. Sie hat langes dunkles Haar und braune Haut.
  51. „Meltdown / Ich fühle mich gerade sehr schlecht. Und ich kann mein Verhalten nicht kontrollieren. Das ist sehr anstrengend für mich. Es wird bald vorbei sein.“ Bildbeschreibung: Es ist eine Pilzwolke wie nach einer Atombomben-Explosion zu sehen. Sie ist orangerot eingefärbt.
  52. „Shutdown / Ich kann im Moment nicht denken und mich nur schwer bewegen. Das ist sehr anstrengend für mich. Ich brauche Ruhe, um mich zu erholen.“ Bildbeschreibung: Eine Comic-Figur mit X-Augen sitzt in der Ecke. Sie ist der betrachtenden Person zugewandt. Die X-Augen erinnern an eine tote Figur oder eine ausgeschaltete Maschine. Die Figur hat langes, glattes dunkelbraunes Haar, braune Haut und trägt einen weißen Pullover mit rosafarbenen Ärmeln.
  53. „Ich kann gerade nicht mit Menschen umgehen. Es ist mir zu viel und ich bin überfordert.“ Bildbeschreibung: Eine schwarze Katze mit aufgestelltem Fell und aufgestelltem Schwanz. Sie sieht aus, als hätte sie Angst und würde gleich kratzen.
  54. „Ich habe Angst. Bitte halten Sie meine Hand oder trösten Sie mich.“ Bildbeschreibung: Eine der beobachtenden Person zugewandte Comic-Figur, die ängstlich oder besorgt aussieht. Sie hat einen traurigen Gesichtsausdruck. Sie hält sich beide Hände ans Gesicht. Sie hat lange, dunkelblonde Locken und helle Haut. Sie trägt einen blaugrünen Pullover, auf dem eine stilisierte Sonne gezeichnet ist.
  55. Wie 54, aber „du“ statt „Sie“.
  56. „Ich habe eine Trauma-Folge-Störung. Krankenhäuser und Ärzte machen mir Angst. Bitte erklären Sie genau, was Sie machen. Gehen Sie vorsichtig und langsam mit mir um. Fragen Sie mich, bevor Sie mich anfassen. Bitte nehmen Sie Rücksicht.“ Bildbeschreibung: Ein Stethoskop (Gerät, das Ärzt*innen zum „Abhören“ benutzen).
  57. „Ich bin kein Rollstuhl! Es ist sehr unfreundlich, Menschen so zu nennen. Fußgänger nennen Sie ja auch nicht: Beine. Bitte sagen Sie: Mensch mit Rollstuhl. Oder: Rollstuhlfahrer*in.“ Bildbeschreibung: Ein Bild von einem leeren Rollstuhl und eine Linienzeichnung von einem Paar nackte Beine.
  58. „Ich kann nicht still halten. Ich habe eine Behinderung, wegen der ich mich dauernd bewegen muss. Ich kann es nicht kontrollieren. Ich mache es nicht mit Absicht. Bitte sagen Sie mir nicht, dass ich damit aufhören soll.“ Bildbeschreibung: Eine Strichfigur, die auf einem Bein steht. Das andere Bein hat sie in die Luft gehoben. Sie hat auch beide Arme angehoben. Sie hat einen überforderten Gesichtsausdruck.
  59. Wie 58, aber „du“ statt „Sie“.
  60. „Ich habe Tourette. Deswegen mache ich Bewegungen oder Geräusche, die ich nicht kontrollieren kann. Das ist anstrengend und schmerzhaft für mich. Manchmal sind es Sachen, die Sie vielleicht beleidigend finden. Bitte: Sagen Sie mir nicht, dass ich damit aufhören soll. Starren Sie mich nicht an. Fühlen Sie sich nicht angegriffen.“ Bildbeschreibung: Eine Strichfigur, die auf einem Bein steht. Das andere Bein hat sie in die Luft gehoben. Sie hat auch beide Arme angehoben. Sie hat einen überforderten Gesichtsausdruck.
  61. „Ich brauche Hilfe, um nach Hause zu kommen. Meine Adresse ist:“ Bildbeschreibung: Eine vereinfachte Darstellung eines Hauses.

Vornamensänderung in geschlechtsneutrale Vornamen

Ich habe meinen Vornamen geändert. Eine Zusammenfassung dieses Artikels in Stichpunkte findet ihr weiter unten.

Nachdem ich den Gang über das Transsexuellengesetz (TSG) wegen des furchtbaren Therapeuten, an den ich geraten war, abgebrochen hatte, brauchte ich dringend einen alternativen Weg, um eine für mich aushaltbare Lösung zu finden.

Das Wichtigste war für mich, meinen richtigen Vornamen endlich überall benutzen zu können und den Deadname endgültig loszuwerden. Also entschied ich mich für den Weg über das Gesetz zur Änderung der Vornamen.

Das ist deutlich einfacher als der Gang übers TSG: Es ist nur ein Kurzgutachten von einer*m Psychotherapeut*in (oder Psychiater*in) nötig, ein Text über die Gründe für die Vornamensänderung, ein Führungszeugnis und natürlich die Aufklärung der zuständigen Beamten über nichtbinäre Geschlechter und die Rechtsprechung zu geschlechtsneutralen Vornamen.

Nach dem Abbruch der schädlichen „Therapie” wollte ich keine weitere Therapie mehr beginnen. Ich fragte mich herum und nahm schließlich Kontakt zu einer Psychotherapeutin auf, die sich bereit erklärte, mit mir nur so viele Sitzungen zu machen, wie zur Erstellung des Gutachtens notwendig wären. Sie rechnete mit 2-3 Sitzungen, wir brauchten 2.

Da sie keine Kassenzulassung hat, musste ich die Sitzungen und das Kurzgutachten privat bezahlen, das blieb insgesamt aber noch unter 200 €. Ich erinnere mich nicht mehr genau an den Preis für das Kurzgutachten, aber es war wirklich wenig, ich glaube 20 € oder so.

Mit der Psychotherapeutin hatte ich wirklich Glück. Sie war sehr respektvoll und verständnisvoll. Wir redeten über mein Geschlecht, meine Neurodivergenzen und meine Trauma-Erfahrungen.

Die Trauma-Erfahrungen waren deshalb ein Thema, weil ich die Begründung für die Vornamensänderung zweigleisig aufgebaut habe: Grund 1 war mein nichtbinäres Geschlecht, Grund 2 war die Verbindung meines Vornamens mit meinem Trauma.

ProjectEnigma erstellte ein Dokument mit einer Zusammenfassung von Gesetzen und Urteilen zur Zulässigkeit geschlechtsneutraler Vornamen (Unisex-Namen). Einen Link hierzu findet ihr am Ende dieses Textes.

Ich ging bei meiner zuständigen Behörde vorbei und nahm zunächst nur dieses Dokument mit. Die Beamte zeigte sich verständnisvoll, aber unsicher zum Thema geschlechtsneutrale Vornamen, das Dokument war hier sehr hilfreich.

Die Beamte war nicht zufrieden damit, dass ich nur für das Kurzgutachten bei der Therapeutin war. Sie sagte, ich müsste eine Therapie machen. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Das Kurzgutachten muss ausreichend sein.

Ich hatte keine Energie, um auf meinem Recht zu beharren. Wir einigten uns darauf, dass es reichen würde, einen Bericht von meinem vorherigen Therapeuten vorzulegen, aus dem hervorging, dass ich trans bin. Dafür nahm ich den nächstbesten Bericht von meinem vorherigen Therapeuten her, der das Wort „Transsexualität” enthielt und zu 95% überhaupt nichts mit dem Thema zu tun hatte.

Danach brauchte ich eine Weile, bis ich alle nötigen Dokumente zusammen hatte, eine frisch erstellte Geburtsurkunde aus meinem Geburtsort, ein erweitertes Führungszeugnis und so weiter.

Wie schon erwähnt, baute ich meine Begründung für den Antrag zweiteilig auf. Ich beschrieb einerseits, dass ich meinen Vornamen mit Gewalterfahrungen verbinde und davon Abstand bekommen möchte. Andererseits erklärte ich, was ein nichtbinäres Geschlecht ist und warum der Weg über das TSG für mich nicht in Frage kommt.

Ich achtete darauf, die Probleme, die mir mein Ausweis-Vorname im Alltag bereitet, möglichst genau zu beschreiben. Ich verzichtete auf Beschönigungen.

Nach langem Überlegen habe ich mich entschieden, meine Begründung öffentlich zu machen. Bitte beachtet, dass dieser Text sehr persönlich ist. Er beinhaltet auch Beschreibung von Gewalterfahrungen. Ich zeige ihn hier nur, damit ihr eine Idee habt, wie so eine Begründung aussehen kann. Einen Link findet ihr am Ende dieses Posts.

Ein paar Wochen später packte ich alles zusammen und ging damit wieder bei der Behörde vorbei.

Danach dauerte es zwei Monate, in denen ich gar nichts hörte, dann kam die Bestätigung. Jetzt muss ich nur noch die Urkunde abholen und 125 € bezahlen.


Zusammenfassung

  • Für den Antrag ist ein Kurzgutachten nötig, das belegt, dass mir durch den Ausweis-Vornamen erhebliches psychisches Leid entsteht
  • Ich war zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht in Therapie
  • Ich fand eine Privat-Therapeutin, die mit mir 2 Sitzungen machte, um das Kurzgutachten zu erstellen
  • Die Sitzungen und das Gutachten kosteten mich zusammen ca. 200 €
  • ProjectEnigma erstellte eine rein informative Übersicht über die Gesetze und Rechtsprechung zu geschlechtsneutralen Vornamen
  • Dieses Übersichts-Dokument gab ich bei der Behörde ab, nicht als Teil des Antrages, sondern zur Erleichterung des Prozesses
  • Die Behörde verlangte noch einen Bericht von meinem vorherigen Therapeuten, aus dem hervorging, dass ich trans bin
  • Das ist nicht rechtmäßig, da das Kurzgutachten der Privat-Therapeutin ausreichend ist, aber ich hatte nicht die Energie, mich zu widersetzen
  • Meinen Antrag begründete ich folgendermaßen:
    • Mein alter Vorname ist für mich untrennbar mit Trauma verbunden
    • Ich bin nichtbinär, daher ist das Transsexuellengesetz für mich ungeeignet
    • Mein Ausweis-Vorname bereitet mir im Alltag erhebliche Schwierigkeiten
  • Der Antrag war erfolgreich, es gab keine weiteren Probleme, es kostete mich 125 €
  • Gesamt-Kosten für den Vorgang unter 400 € (Kosten für neue Ausweise, Karten etc. nicht enthalten)

Downloads

Pathologisierung und Privilegien

Hinweis: In diesem Text werden behinderten-feindliche Schimpfwörter ausgeschrieben als Beispiele benutzt.

Trump und die anderen Menschen, die in den USA an die Macht gekommen sind, sind nicht „verrückt”, „wahnsinnig”, sie sind auch keine „Soziopathen”, sie sind nicht „krank” und sie haben keine „Angst”. Dies pathologisiert ihr Verhalten, das aber tatsächlich kein krankhaftes Verhalten ist.

Psychische Krankheiten sind vor allem dadurch definiert, dass durch sie ein Leidensdruck oder eine Beeinträchtigung entsteht. Wenn jemand aufgrund seines Hasses und seiner hasserfüllten Rhetorik, wegen seiner diskriminierenden Einstellungen und seiner gewaltvollen Pläne zum Präsidenten der USA gewählt wurde, verschaffen diese Dinge ihm weder einen Leidensdruck noch eine Beeinträchtigung. Im Gegenteil: Sie haben ihm seinen Erfolg erst ermöglicht.

Die westliche Gesellschaft ist ein komplexes Gebilde aus Privilegierung und Unterdrückung (Fachbegriff: Kyriarchat). Diese Bevorzugungen und Benachteiligungen finden aufgrund von Ethnie, Hautfarbe, Geschlecht, BeHinderung, Sexualität, Geldbesitz und vielen weiteren Faktoren statt.

Diese Struktur ist, was den Faschismus und den Machterhalt von Menschen wie Trump möglich macht.

Es geht nicht um die individuellen Eigenschaften von Trump und seinen Handlangern. Mit der Verschiebung auf die persönliche Ebene und Pathologisierung wird das dahinterliegende System von Privilegierung und Unterdrückung verschleiert. Die Verantwortung von Menschen in privilegierten Positionen (weiß, nicht behindert, cis, hetero, usw.) wird unsichtbar gemacht.

Wenn es nicht Trump gewesen wäre, wäre ein anderer, gleichartig hasserfüllter, reicher weißer Cis-Mann dahergekommen.

Behinderte und kranke Menschen sind nicht schuld am Faschismus. Faschismus ist keine Krankheit.

Übernehmt Verantwortung. Nutzt eure Privilegien. Bringt euren Familienmitgliedern, Arbeitskolleg*innen und Freund*innen bei, dass faschistische Ideen menschenfeindlich sind. Bekämpft den Faschismus – für euch selbst und für alle, die nicht kämpfen können.

 

Die vermeintliche Hierarchie zwischen körperlichen und psychischen Krankheiten

Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten erfahren viele verschiedene Arten von Misshandlung. Dazu gehören zum Beispiel Ausgrenzung, körperliche Gewalt, Fehl- oder Nicht-Behandlung und vieles mehr.

Oft entsteht eine Art Wettrennen darüber, welche Art von Misshandlung am schlimmsten ist oder welche Gruppe kranker oder behinderter Menschen davon am stärksten betroffen ist.

Ich denke, das liegt zum einen daran, dass über die Gewalt und Misshandlung gegen kranke und behinderte Menschen hauptsächlich geschwiegen wird. Gleichzeitig wird der Mythos verbreitet, der Staat, das medizinische System oder unsere Angehörigen würden sich um uns kümmern und es wäre schon irgendwie alles okay für uns. Daher haben wir oft den Eindruck, allen anderen würde es besser ergehen als uns selbst.

Vor allem Menschen, deren Behinderung hauptsächlich psychisch oder psychosomatisch ist, scheinen oft zu glauben, dass Menschen mit körperlichen Behinderungen eher ernstgenommen werden als Menschen mit körperlichen Behinderungen.

Dabei wird nicht nur vergessen, dass viele körperliche Behinderungen auch sehr oft nicht ernst genommen oder wahrgenommen werden, sondern es wird eine Art Hierarchie erstellt auf Basis der Annahme, es wäre immer von Vorteil, wenn die vorhandene Krankheit oder Behinderung anerkannt wird.

 

Es ist aber eben nicht immer ein Vorteil, wenn die Behinderung leicht ersichtlich ist. Menschen mit sichtbaren Behinderungen erfahren keinesfalls nur Unterstützung, Hilfe und Mitgefühl. In der Öffentlichkeit sind sie beispielsweise Spott, Anfeindungen oder Gewalt ausgeliefert, innerhalb des medizinischen Systems erfahren sie oft medizinisch legitimierte Misshandlungen.

Eine sichtbare Behinderung schützt uns nicht davor, als Störung wahrgenommen zu werden. Wenn ich mit meinem Rollator unterwegs bin, sind andere Menschen häufig genervt, weil sie mir Platz machen müssen, weil ich mich langsam bewege oder weil sie auf mich Rücksicht nehmen müssen. Die „Hilfe”, die fremde Menschen uns anbieten, wird oft grenzüberschreitend und ohne uns zu fragen einfach angewendet.

Freund*innen, Bekannte und Arbeitskolleg*innen erwarten oft, dass Menschen mit sichtbaren Behinderungen keine weiteren, unsichtbaren, sekundären Behinderungen haben. Es wird erwartet, dass wir uns über unsere Behinderung „hinwegsetzen”, sie ausgleichen, uns davon nicht einschränken lassen. Sie erwarten, dass wir alles tun, um trotzdem am produktiven Gesellschaftsleben teilhaben zu können (das heißt eigentlich immer nur: Lohnarbeit).

Wenn wir Treppen nicht erklimmen können, erwarten sie, dass wir natürlich einen langen Umweg in Kauf nehmen, um trotzdem teilnehmen zu können. Oder dass wir uns eben Stufe für Stufe nach oben kämpfen. Wenn wir etwas nicht schaffen, heißt das nämlich, dass wir uns nur nicht genug anstrengen oder es ja gar nicht wirklich wollen.

Als Beispiele zeigen sie uns gerne Erfolgsgeschichten von Menschen mit Behinderungen, die entgegen aller Widrigkeiten Erfolge hatten, die ihnen niemand zugetraut hat. Dabei ignorieren sie die Tatsache, dass dazu Privilegien und körperliche oder geistige Gegebenheiten nötig sind, die nicht alle behinderten Menschen haben.

 

Auch Körperliche Krankheiten sind oft unsichtbar. Gehörlosen Menschen sieht man zum Beispiel ihre Gehörlosigkeit nicht an, nicht alle Menschen mit körperlichen Krankheiten haben Gehhilfen und viele Menschen wissen selbst nicht unbedingt, dass sie eine körperliche Behinderung haben.

Menschen im näheren Umfeld glauben uns selten, wie schwer unsere Behinderung tatsächlich ist. Ärzt*innen, Therapeut*innen und natürlich Versicherungen und medizinische Dienste stellen unsere Behinderungen stets in Frage, egal, ob sie sie sehen können oder nicht.

Selbst, wenn wir offensichtliche Gründe für unsere Behinderung vorweisen können, wird erwartet, dass wir zunächst alles menschenmögliche probieren, um weniger behindert zu werden. Also müssen wir zuerst eine Psychotherapie machen und es trotzdem probieren und viel Sport machen und Yoga probieren und mehr schlafen und unsere Ernährung umstellen und all die anderen vielen Tricks, die angeblich unsere Gesundheit irgendwie verbessern können, auch, wenn sie uns tatsächlich vielleicht schaden.

 

Es werden oft nur Einschränkungen akzeptiert, die als alltäglich und normal angesehen werden. Eine Erkältung oder Rückenprobleme sind für die meisten Menschen leicht verständlich, aber schon Dinge wie behindernde Müdigkeit oder Schmerzen stoßen schnell auf Unglauben.

Wenn wir eine Behinderung schon lange Zeit haben, erwarten die meisten Menschen, dass wir uns inzwischen damit abgefunden und Methoden gefunden haben, um die Einschränkungen vollständig auszugleichen.

Wenn wir die Behinderung noch nicht lange haben, wird erwartet, dass wir ja problemlos ein paar Monate warten können, bis wir Untersuchungen bekommen, die vielleicht eine Diagnose ergeben, auf deren Basis wir dann vielleicht einen Schwerbehindertenausweis oder Mobilitätshilfen beantragen können.  

Wenn wir jung sind, wird erwartet, dass wir scheinbar unerschöpfliche Energieressourcen besitzen, mit denen wir jede mögliche Situation in den Griff bekommen können.

 

Die meisten Menschen, die selbst keine Behinderung haben, wollen einfach nicht einsehen, dass es Leute gibt, die nicht so viel leisten können wie sie selbst. Sie denken, Behinderung wäre zum Beispiel eine Strafe Gottes oder wir würden unseren Körper irgendwie falsch benutzen oder wir wären irgendwie selbst schuld daran oder wir müssten uns nur ein bisschen mehr anstrengen oder das wäre alles nur Einbildung.

Und wenn wir nicht behindert sein wollen (und natürlich dürfen wir damit nicht zufrieden sein!), dann sollen wir eben mal Akupunktur versuchen, zum Heilpraktiker gehen, oder eine Psychotherapie gegen chronische Schmerzen machen, oder mehr schlafen, damit der Blutdruck besser wird, oder wir sollen uns nicht so anstellen, oder unsere Symptome sind sowieso nur ein Ausdruck unseres unzufriedenstellenden Lebens, und wenn wir uns ein bisschen mehr anstrengen würden und ein bisschen aktiver wären, würde das alles besser werden.

Mit den tausend sinnlosen Tips geht es nicht darum, uns zu helfen. Es geht vielmehr darum, sich selbst irgendwie in einer besseren Position zu sehen, sich selbst einzureden, dass man selbst ja niemals in diese Situation geraten kann, weil man ja alles richtig macht.

Dazu kommt, dass sich niemand wirklich für uns verantwortlich fühlen möchte. Die Tatsache, dass wir Unterstützung und Hilfe brauchen und anderen Leuten Arbeit machen oder ihnen den Tag ein bisschen schwerer machen, stößt auf Unzufriedenheit. Wir sollten uns zufriedengeben mit dem, was wir haben und keine weiteren Ansprüche stellen.

 

Es gibt nur ganz wenige und eng definierte Arten von Krankheit und Behinderung, die in unserer Gesellschaft Mitgefühl, Verständnis und Unterstützung erfahren.

Dazu gehören zum Beispiel die ganz bestimmte, häufig auftretende Komplikationen des Älterwerdens, wie zum Beispiel Arthrose, nachlassende Bewegungsfähigkeit, nachlassende körperliche Stärke und so weiter (aber auch erst im „richtigen” Alter!).

Eine weiteres Beispiel könnte eine Depression sein, die mit einem ganz bestimmten, verständlichen Ereignis zusammenhängt, wie zum Beispiel dem Tod einer nahestehenden Person.

Dazu kommt, dass von Behinderten ganz bestimmte Verhaltensmuster erwartet werden. Jede kleinste Abweichung davon wird als Beweis dafür angesehen, dass die behinderte Person übertreibt oder lügt oder in Wirklichkeit gar nicht behindert ist.

Wer spazierengehen kann, kann doch ganz bestimmt auch arbeiten gehen, wer Filme schauen kann, kann doch gar nicht richtig krank sein, Rollstuhlfahrer*innen dürfen niemals die Beine bewegen oder gar aufstehen, wer einen Gehstock hat, kann ganz bestimmt nicht rennen, wer depressiv ist, darf nicht auf einer Party Spaß haben.

Wer einen Unfall hat und danach zum Beispiel eine Querschnittslähmung hat, muss danach in der Lage sein, das bisherige Leben so anzupassen, dass si*er trotzdem beeindruckende Erfolge erzielen kann.

Wer eine schwere Krankheit hat, muss danach entweder tot sein oder sich vollständig erholen.

Wer von Geburt an eine schwere Behinderung hat, wird kaum als menschlich angesehen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Menschen so wie so früh sterben und nie etwas in ihrem Leben zustande bringen werden.

Die einzigen Erzählweisen von Krankheit und Behinderung sind also Geschichten mit zeitlich absehbarem, klaren Verlauf, die entweder mit dem Tod enden oder mit vollständiger Rehabilitation (das heißt: Lohnarbeit).

Wenn wir aber unser eingeschränktes Leben einfach leben wollen, nicht im Sterben liegen, aber keine Aussicht auf Besserung oder Rehabilitation besteht, fallen wir aus diesem Muster heraus. Dann kommen die Vorwürfe, das Herunterspielen, der Therapiedruck, die unerfüllbaren Erwartungen, der Unglaube und vieles mehr.

 

Die Diskriminierung gegen Behinderte findet nicht nur im öffentlichen Raum oder in privaten Beziehungen statt, sondern ist strukturell, gesamtgesellschaftlich verankert und auch gesetzlich unterstützt.

Damit meine ich nicht nur fehlende Rampen vor Gebäudeeingängen, Bordsteinkanten, die sich mit Rollstuhl oder Rollator nicht überwinden lassen, Bücher und Filme ohne Hörbuchausgabe oder Untertitel, unzugängliche oder defekte Aufzüge, fehlenden barrierefreien Wohnraum, sondern auch zum Beispiel die lachhafte finanzielle Versorgung behinderter Menschen, das Vorenthalten notwendiger Hilfsmittel, die Einschränkungen in Bezug auf erlaubte Ersparnisse, Einkommen, und vieles mehr.

 

Diese strukturellen Ausschlüsse betreffen alle behinderten Menschen.

Dabei ist es völlig egal, welcher Art unsere Krankheit oder Behinderung ist.

 

Der ableistische Hass nach #München und #Reutlingen

Amokläufe und Attentate machen uns Angst.

Nein, ich meine nicht euch, die weiß, deutsch und/oder psychisch einigermaßen „gesund“ durchs Leben gehen.

Ich rede von uns, gegen die sich nach solchen Vorkommnissen der Hass der gesamten Gesellschaft richtet.

Zwei Gruppen bekommen besonders viel von diesem „Backlash“ zu spüren: Zum einen People of Colour, besonders Schwarze Menschen und Menschen, die „arabisch“ aussehen. Besonders Muslim*innen wird vorgeworfen, Terrorist*innen zu sein.

Zum anderen psychisch kranke und anderweitig neurodivergente Menschen, die jetzt unter dem Generalverdacht stehen, tickende Zeitbomben auf dem Weg zu einer blutigen Gewalttat zu sein.

Am stärksten leiden darunter natürlich Menschen, die beides sind: also psychisch kranke bzw. neurodivergente People of Colour. (Anmerkung: Ich bin weiß.)

Ich hatte ursprünglich nicht vor, den zweihundert-tausendsten Text darüber zu schreiben, wie scheiße es ist, neurodivergente Menschen zu dämonisieren. Aber nachdem ich nicht einmal auf meinen gut gefilterten Accounts in sozialen Netzwerken davor verschont blieb, mache ich es jetzt doch.

Was mir am meisten auffällt, ist die Selbstverständlichkeit, mit der neurotypische, psychisch weitestgehend gesunde Menschen sich herausnehmen, über uns zu urteilen. Sie sind sich absolut sicher, dass sie das Recht haben, über unser Erleben zu schreiben, zu bewerten, wie gefährlich oder ungefährlich wir sind und wie man mit uns umgehen sollte.

Da wird darüber sinniert, ob unsere Diagnosen jetzt eigentlich „echt“ sind, ob wir wirklich „krank“ sind oder ob wir „krank gemacht“ werden (ohne uns zu fragen, ob „krank“ überhaupt das richtige Wort ist!).

Dann wird diversen Neurodivergenzen die Legitimität abgesprochen, Depressionen wären Quatsch, Antisoziale Persönlichkeitsstörung gäbe es ja gar nicht, diverse Diagnosen wären in Wirklichkeit nur ein beschönigender Name für Gewaltbereitschaft und so weiter.

Niemand kümmert sich darum, uns mal zu fragen. Bestenfalls werden Psycholog*innen oder Psychiater*innen gefragt – die natürlich auch wieder denken, sie hätten das absolute Definitionsrecht über unsere Köpfe.

Die Verfasser*innen der Hass-Texte scheinen dabei noch nicht einmal grundlegende Ahnung von dem Thema zu haben, über das sie schreiben. Ein besonders widerliches Beispiel ist dieser FAZ-Artikel (wenn ihr euch nicht sicher seid, ob ihr das anschauen wollt: NEIN.)

Mit kompliziert klingenden Wörtern und abwertenden Begriffen wird ein besonders fremdartiges, unmenschliches und angsteinflößendes Bild von uns gezeichnet.

Ich werde im Folgenden beispielhaft ein paar dieser Wörter erklären und aufzeigen, wie sie benutzt werden, um uns möglichst gefährlich wirken zu lassen. Die Liste ist bei weitem nicht vollständig.

Depressionen, depressiv: Depressionen sind eine schwere psychische Krankheit, die oft tödlich endet (durch Suizid).

Depressionen gehen oft mit Antriebslosigkeit einher. Depressive können ihren Alltag nicht mehr bewältigen, fühlen sich niedergeschlagen, hoffnungslos, wertlos, hilflos, kraftlos oder leer.

Depressionen nehmen uns die Fähigkeit zur Freude, machen unsere Gedanken ziellos und träge, führen zu Konzentrations- und Gedächtnis-Schwierigkeiten und können dazu führen, dass wir unsere Pflichten, unsere Hobbies, unsere Freundschaften und uns selbst vernachlässigen.

Wisst ihr, was kein Symptom für eine Depression ist? Genau: Gewalt!

Ob Menschen gewalttätig sind, ob Menschen andere verletzen oder töten, hat absolut nichts damit zu tun, ob sie depressiv sind.

Epidemie: Aus unerfindlichen Gründen wird immer wieder so getan, als sei irgendeine Neurodivergenz eine „Epidemie“, also eine Krankheits-Häufung. Wahlweise betrifft das zum Beispiel ADHS, Autismus, Depressionen oder was auch immer.

Die Wahrheit ist: So eine Epidemie gibt es nicht.

Psychische Krankheiten und Neurodivergenzen gibt es schon immer. Erbliche Neurodivergenzen wie z.B. Autismus, Schizophrenie oder ADHS werden einfach häufiger diagnostiziert bzw. ausführlicher differenziert als früher. Das Erscheinen von Neurodivergenzen mit erblichen Aspekten wie beispielsweise Persönlichkeitsstörungen hängt vom Umfeld der Betroffenen und ihren Erfahrungen ab. Auch hier ist es so, dass die diagostischen Verfahren ständig verfeinert werden.

Depressionen, Angststörungen und Burn-Out können von einer leistungsorientierten und hasserfüllten Gesellschaft wie der, in der wir leben, natürlich verursacht und verstärkt werden. Die Lösung ist aber nicht, Betroffene besser zu isolieren und stärker zu stigmatisieren.

Geisteskrankheit, geisteskrank: Dieses Wort tut so, als wäre es ein Synonym für „psychische Krankheit, psychisch krank“. Tatsächlich schwingt aber eine abwertende Einschätzung der Intelligenz und des Urteilsvermögens der betroffenen Person mit.

Der Begriff wird meistens als schwammige Bezeichnung für irgendwas benutzt, was die schreibende Person unverständlich und furchteinflößend findet. Wie genau das jetzt mit psychischen Krankheiten zusammenhängt, wird nicht erklärt. Weiß auch niemand. Darum geht es ja auch nicht; viel wichtiger ist, irgendwie eine Bevölkerungsgruppe zu finden, die als Sündenbock herhalten kann.

Pathologisch: Das ist einfach nur ein kompliziertes Wort für „krankhaft“. Wir selbst sehen nicht alle unsere Neurodivergenzen als „krankhaft“ wahr. Für die meisten von uns sind Stimmenhören, seltsame Wahrnehmungen, Angstzustände, Selbsthass, Kommunikations-Schwierigkeiten und vieles andere einfach unser Alltag. Unter manchem davon leiden wir, unter anderem nicht. Ob etwas „pathologisch“ ist oder nicht, entscheiden Therapeut*innen und Psychiater*innen aber oft, ohne uns überhaupt zu fragen.

Persönlichkeitsstörung: Im DSM 5 sind folgende Persönlichkeitsstörungen definiert: Paranoide PS, Schizoide PS, Schizotypische PS, Antisoziale PS, Borderline-PS, Histrionische PS, Narzisstische PS, Ängstlich-vermeidende PS, Abhängige PS, Zwanghafte PS. Keine einzige davon beschreibt gewalttätiges Verhalten oder gar Mord als ein Symptom.

Die meisten Persönlichkeitsstörungen sind durch ein Muster von Angst und/oder durch ungewöhnliche Bedürfnisse definiert. Sie beeinflussen das ganze Leben, oft auf sehr unangenehme und schwierige Art und Weise.

Hört auf, persönlichkeitsgestörte Menschen für eure beschissene ableistische Agenda zu benutzen und uns als Gewalttäter*innen abzustempeln.

Psychische Störung, psychisch gestört: Der Begriff der „Störung“ kommt in vielen Diagnose-Bezeichnungen vor und ist damit scheinbar (aber wirklich nur scheinbar) sachlich. Tatsächlich ist der Begriff stark abwertend. Jemanden als „gestört“ zu bezeichnen ist eine Beschimpfung. Eine „Störung“ ist eine Abweichung vom „Normalzustand“, ein Defekt, etwas, das „behoben“ werden muss. Na, vielen Dank auch…

Psychische Krankheit, psychisch krank: Psychische Krankheiten sind erworbene (nicht angeborene) Neurodivergenzen, die den Betroffenen großes Leid verursachen, wie zum Beispiel Depressionen.

Therapeut*innen und Psychiater*innen bezeichnen alles Mögliche als psychische Krankheit, ohne Betroffene zu fragen, ob diese es überhaupt so wahrnehmen. Meistens wird vorausgesetzt, dass bestimmte Neurodivergenzen immer mit einem großen Leidensdruck einhergehen.

Entsprechend vielfältig sind die Dinge, die als psychische Krankheiten bezeichnet werden. Dazu gehören zum Beispiel Psychosen, Bipolare Störung, Angststörungen, Zwangsstörungen, Persönlichkeitsstörungen wie Borderline oder Narzissmus und vieles mehr.

Allgemein „psychische Krankheiten“ als Ursache für irgendein gesellschaftliches Problem zu nennen, ist ungefähr so zielführend, wie „technische Defekte“ als Ursache für Probleme im Straßenverkehr zu nennen.

Das Problem ist nicht, dass viele Menschen psychisch krank sind. Das Problem ist, dass viele Menschen sich scheiße verhalten. Diese beiden Dinge sind absolut unabhängig voneinander.

Psychopathie, Soziopathie: Dies sind extrem abwertende Bezeichnungen für Menschen mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung (ja, wieder diese „Störung“). Menschen mit ASPS erleben wenig oder keine Empathie und haben Schwierigkeiten damit, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.

Die Begriffe „Psychopath“ und „Soziopath“ sind vor allem aus blutigen Filmen und Serien bekannt, in dem Menschen mit ASPS als herzlose Mörder*innen dargestellt werden. Entsprechend rufen diese Wörter im Bewusstsein der meisten Menschen genau dieses Bild hervor.

Hier ist ein Blogpost, der mit den gängisten Vorurteile gegenüber Menschen mit ASPS aufräumt: Mandatory ASPD Post (englisch).

Hier ist ein Blogpost, in der eine Person mit ASPS darüber schreibt, was das bedeutet: Could you explain what ASPD is like? (englisch)

Wenn ihr keine ASPS habt, solltet ihr die Begriffe „Psychopath“ und „Soziopath“ definitiv nicht benutzen. Ein Text, in dem diese Wörter vorkommen, ist praktisch immer voll mit Ableismus.

Psychose, psychotisch: Psychosen sind Zustände, in denen eine Person Wahrnehmungen oder Vorstellungen hat, die sich von der Realität anderer Menschen deutlich unterscheiden. Psychotische Menschen können zum Beispiel Angst vor den Kameras in ihrer Wohnung haben oder davon überzeugt sein, dass Außerirdische ihre Gedanken steuern.

Psychosen sind etwas ganz anderes als eine Phantasie-Vorstellung. Was Menschen in Psychosen wahrnehmen, haben sie sich nicht „ausgedacht“ oder „erfunden“.

Psychotische Zustände gehen außerdem meistens mit weiteren massiven Problemen einher, zum Beispiel Konzentrations- und Gedächtnis-Schwierigkeiten, Probleme damit, klare Gedanken zu fassen und Entscheidungen zu treffen, große Angst vor Menschen und Orten und vieles mehr.

Menschen, die gerade eine Psychose erleben, sind nicht gefährlich. Die größte Gefahr geht von Verwirrungs-Zuständen aus, in denen psychotische Menschen unter Umständen schlechte Entscheidungen treffen können, wie beispielsweise aus einem Fenster zu springen, um sich vermeintlich in Sicherheit zu bringen oder in ein Flugzeug zu steigen und ans andere Ende der Welt zu fliegen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, welche Folgen das für ihr Leben haben könnte.

In Filmen und Serien werden psychotische Menschen oft als gewalttätig dargestellt. Wir sehen dort Charaktere, die in ihrer Verwirrung andere Leute ermorden oder ausgeklügelte Terror-Anschläge vorbereiten.

Das ist völliger Quatsch. Die Benutzung des Fachbegriffes (den viele Betroffene übrigens ebenfalls ablehnen!) vermittelt ein falsches Gefühl von Sachlichkeit. In Wirklichkeit sind solche Darstellungen vor allem stigmatisierend und tragen dazu bei, systematische und institutionalisierte Gewalt gegen psychotische Menschen zu legitimieren.

Psychotische Menschen werden oft gegen ihren Willen zwangsbehandelt, in Psychiatrien und anderen Einrichtungen festgehalten und gezwungen, Medikamente zu nehmen, die ihnen nicht gut tun.

Dabei sind Psychosen einfach eine besondere Form des Erlebens, die nicht alle Menschen kennen. Sie können sehr unangenehm sein, aber sie können für die betroffenen Leute auch sehr spirituell, erfüllend, oder eben Alltag sein.

Psychotische Menschen sind einfach Menschen: Sie können liebenswürdig sein, sie können neugierig sein, sie können aber natürlich auch gewalttätig sein, so wie alle anderen Menschen auch.

Was Psychosen auf keinen Fall sein sollten, ist ein Aufhängungspunkt für eure beschissenen, behindertenfeindlichen Texte.

Schizophrenie, schizophren: Schizophrenie ist eine Neurodivergenz, deren Name gerne völlig wahllos für alles mögliche benutzt wird, das gar nichts damit zu tun hat. Nicht nur, dass Schizophrenie ständig mit Multipler Persönlichkeit verwechselt wird, sondern sie scheint auch noch alle möglichen, furchteinflößenden Dinge in sich zu vereinen:

Schizophrene sind der Archetyp der „Verrückten“ in unser behindertenfeindlichen Vorstellung. Schizophrenie geht mit Psychosen einher; viele Schizophrene haben Halluzinationen, hören Stimmen, werden als „wahnsinnig“, „irre“, „krank“ bezeichnet und vor allen Dingen stark stigmatisiert.

Schizophrene Menschen werden extrem häufig Opfer von Gewalt. Die Diagnose kann dazu führen, dass nichts, was sie sagen, ernstgenommen wird, auch, wenn sie von Gewalterfahrungen berichten. Sie werden oft zwangsbehandelt, institutionalisiert und ausgegrenzt.

Viele Schizophrene sind obdachlos, weil sie keine menschenwürdige Unterstützung bekommen. Aus (berechtigter!) Angst vor psychiatrischer Gewalt können viele schizophrene Menschen gar keine Hilfe suchen. Schizophrenie ist ein hoher Risikofaktor für Alkoholismus und andere Suchtkrankheiten.

Und dann kommt ihr daher und tut so, als wären Schizophrene jetzt irgendwie schuld an Gewalttaten, die sie überhaupt nicht begangen haben.

Seele, seelische Verfassung, seelische Krankheit: Auf den ersten Blick wirkt es so, als seien diese Begriffe synonym zu „Psyche, psychische Verfassung, psychische Krankheit“.

Der Begriff der „Seele“ hat allerdings noch viele weitere Bedeutungen.

Während die „Psyche“ oft als sachlicher Begriff für Vorgänge im Gehirn von Menschen verwendet wird, hat die „Seele“ auch religiöse und spirituelle Bedeutung. Als „Seele“ wird der innerste Kern, das Wesen von Menschen bezeichnet. Menschen können eine „gute Seele“ oder eine „bösartige Seele“ haben. Manche religiöse und spirituelle Konzepte beinhalten eine „unsterbliche Seele“.

Wenn also die „Seele“ eines Menschen als „krank“ bezeichnet wird, ist das eine sehr tiefgehende moralische Abwertung.

Selbstmord, Suizid: Menschen, die in ihrem Leben stark leiden, entscheiden sich möglicherweise dafür, dieses Leben zu beenden.

Das hat nichts, aber auch gar nichts mit der Entscheidung zu tun, vorher erstmal irgendwelche anderen Menschen zu töten. Dafür braucht es die anmaßende Anspruchshaltung, das Recht zu haben, über das Leben anderer Menschen zu bestimmen.

Bei Morden, auf die ein Suizid folgt, sind die Ermordeten oft weniger privilegiert als die Mörder*innen: Frauen töten ihre Kinder, Männer töten ihre Frauen.

Die allermeisten Menschen, die „Amok laufen“, sind weiß und männlich. Weiße Männer haben in unserer Gesellschaft eine sehr privilegierte Position, die ihnen viele Vorteile und vor allem Macht über marginalisierte Gruppen bringen kann. Wenn sie den Eindruck haben, dass ihnen diese Machtposition verwehrt wird, werden sie oft gewalttätig.

Wir brauchen definitiv ein Gespräch darüber, warum einige Menschen sich so selbstverständlich in der Machtposition sehen. Dabei sollten wir auch darüber reden, warum neurotypische Menschen sich so selbstverständlich in der Machtposition über neurodivergente Menschen sehen.

Das Leid von Menschen, die den Suizid wählen, ist nicht dazu da, von euch zur weiteren Stigmatisierung neurodivergenter Menschen instrumentalisiert zu werden.

Stimmen hören: Für viele Menschen ist es Alltag, mehr körperlose Stimmen zu hören als nur die tonlose Stimme des eigenen Denkprozesses.

Schizophrene Menschen, Menschen mit dissoziierten Persönlichkeits-Anteilen und andere neurodivergente Menschen hören besonders häufig Stimmen.

Aber auch Menschen, die sonst überhaupt keine erwähnenswerten Neurodivergenzen haben, können Stimmen hören. Das ist überhaupt nichts Gefährliches oder Krankhaftes, sondern einfach die Art, wie manche Köpfe funktionieren.

Diese Stimmen können lustig sein oder furchteinflößend, freundlich oder feindlich. Sie können nüchtern die Situation kommentieren, sie können Witze machen, unverständliches Geschrei von sich geben, Drohungen aussprechen oder Vorschläge machen. Und ja, sie können auch Befehle geben.

Aber sie können nicht die Kontrolle über einen Menschen übernehmen. Menschen, die Stimmen hören, sind kein willenloses Opfer dieser Stimmen.

Hier ist ein Vortrag darüber, wie es ist, Stimmen zu hören: The voices in my head (englisch, mit Transkript und Untertiteln in vielen Sprachen).

Unterschiedliche Arten, die Welt und sich selbst zu erleben, sind Teil der menschlichen Vielfalt, kein Gruselkabinett.

Wahn, Wahnsinn, Wahnvorstellung, Irrsinn, irre, verrückt: Diese und ähnliche Wörter bezeichnen so ungefähr alles, was irgendwie als „unverständlich“ gilt. Dabei wird komplett ausgeblendet, wie diese Begriffe benutzt wurden, um massive Gewalt gegen neurodivergente Menschen zu rechtfertigen.

Ich hab jetzt echt nicht die Kraft, einen Aufsatz darüber zu schreiben, wie sogenannte „wahnsinnige“ oder „irre“ Menschen in der Geschichte der westlichen Kultur gefoltert und ermordet wurden (und bis heute werden).

Die Begriffe werden immer wieder durch „freundlichere“ oder „wissenschaftlichere“ Wörter ersetzt. Heute wird statt „wahnsinnig“ oft „psychotisch“ gesagt, statt „verrückt“ eben „krank“ oder „gestört“. Aber die stigmatisierende Verwendung der Begriffe bleibt genau dieselbe: Es wird impliziert, dass neurodivergente Menschen eben irgendwie gefährlich, schlecht, kaputt und weniger menschlich wären als neurotypische Menschen.

Es wird auch so getan, als sei „der Wahnsinn“ etwas, das objektiv feststellbar wäre; etwas, das Menschen „befällt“ und sie dazu führt, bösartige oder lächerliche Dinge zu tun.

Das Problem ist aber nicht, wenn sich Menschen aufgrund von Verwirrung, Unwissen, psychotischen Zuständen oder emotionalen Ausfällen böse verhalten: Das Problem ist, wenn Menschen sich bewusst, wissentlich, unter Kenntnis der Alternativen und ihrer (oft privilegierten) Position so verhalten.

Zum Beispiel, indem Menschen, die noch nie ernsthaft als „wahnsinnig“ bezeichnet und mit Zwangseinweisung bedroht wurden, solche Begriffe benutzen, um irgendjemanden als möglichst unmenschlich darzustellen oder lächerlich zu machen.

Schlusswort

Hört auf, zu behaupten, Menschen würden Gewalttaten begehen, weil sie psychisch krank oder neurodivergent seien. Menschen sind gewalttätig, weil sie die Entscheidung treffen, anderen Gewalt anzutun. Das hat nichts damit zu tun, ob sie neurodivergent sind oder nicht.

Wenn ihr die Entscheidung trefft, auf diese Art und Weise neurodivergente Menschen weiter zu stigmatisieren, aus „eurer“ Gesellschaft auszuschließen, dann ist das auch ein Akt der Gewalt, den ihr absolut bewusst begeht.

Wir sind kein „Symptom“ einer „kranken“ Gesellschaft.

Wir sind Teil der Gesellschaft. Wir lesen eure Texte, die uns abwerten und verurteilen. Wir hören, wie ihr in der Öffentlichkeit darüber redet, wie unmenschlich ihr uns findet und wie viel Angst ihr vor uns habt.

Wir sitzen neben euch in der Bahn, im Büro, im Hörsaal, auf der Couch.

Ihr begegnet uns, ihr interagiert mit uns, jeden Tag.

Ihr kauft unsere Brötchen, ihr werft uns ein paar Cent in den Becher, ihr lacht über die Art, wie wir uns bewegen, wie wir reden und wie wir uns verhalten. Ihr dreht euch angewidert von uns weg oder beschimpft uns, wenn ihr erkennt, was wir sind.

Ihr macht uns das Leben schwer.

Hört auf damit.

Neurodivergenz, Romantik & Beziehungen

das_sexy_alien:

Hinweis: In diesem Beitrag werden Sexarbeit und Gewalt in Beziehungen erwähnt.

Ich kann tatsächlich von mir behaupten, eine romantische Beziehung zu führen. Dass es soweit kam, ist etwas überraschend. Lange war so etwas wie „eine richtige Beziehung“ für mich etwas sehr abstraktes. Meiner Normschönheit zum Dank gab es zwar seit meiner Jugend immer wieder Menschen, die mir mehr oder weniger deutlich zu verstehen geben versuchten, an so etwas mit mir durchaus interessiert zu sein, doch es wurde mit mir einfach nie konkret. Entweder verstand ich Autist*in ihre Flirtversuche erst gar nicht als solche, oder ich war von ihrer Attraktivität dann doch nicht so beeindruckt, dass ich sie nah genug an mich und mein bereits in die Depression abgleitendes Gefühlsleben ran lassen wollte. Manche fand ich auch einfach sexuell schlicht nicht interessant.

Als mir mal jemand über einen längeren Zeitraum hinweg in sexueller Hinsicht zu gefallen vermochte, da entstand für mich zum ersten Mal tatsächlich eine Art Beziehung. Nur romantisch war diese nicht. Eine „richtige Beziehung“ wollte er auch nicht. In Konflikten und Gewalt endete unsere „Fick-Freundschaft“ trotzdem. Zum Glück ist das vorbei.

Die Beziehung, die ich jetzt habe ist dagegen sehr glücklich. Wie wir das hinkriegen? Nun, wir wohnen immer noch nicht zusammen. Obwohl wir schon mehrere Jahre zusammen sind. Wir haben auch nicht vor, es jemals zu tun. Zumindest nicht in näherer Zukunft. Wir brauchen beide viel Raum für uns selbst. Jede* von uns kriegt genug Platz für ihr* eigenes Chaos. Auch zeitlich lassen wir uns viel Raum. Ob für die Arbeit, die Self-Care oder andere Beziehungen. Sehen wir uns öfter als alle zwei Wochen, dann sehen wir uns für unsere Verhältnisse oft. Das hat sich so eingependelt und funktioniert für uns beide gut.

Es gibt vielleicht Leute, die behaupten möchten, unsere Beziehung wäre keine „richtige Beziehung“, wenn wir nicht bald zusammen ziehen, schwanger werden, heiraten, ein Haus bauen und einen Baum pflanzen. Aber wir haben uns schon früh in unserer Beziehung dagegen entschieden, sie normgerecht zu führen. Wir sind schließlich auch keine der Norm entsprechenden Menschen.

Unser Kennenlernen über eine Website für Swinger war schon etwas unkonventionell. Für mich ist es aber sehr angenehm schon vor dem ersten Date ziemlich genau zu wissen, was auf mich im Bett zukommen könnte. Auch war durch die Art, wie wir uns gefunden hatten, zwischen uns ein Bewusstsein da, dass nichts muss, aber sehr viel kann.

Unkonventionell war auch der Zeitpunkt in unserer Beziehung, an dem ich feststellte, romantische Gefühle entwickelt zu haben. Wir waren schon wirklich lange zusammen. Es lief gut mit uns. Es gab nichts, was ich zwischen uns vermisste. Ich freute mich immer auf unsere Treffen. Doch plötzlich, ohne dass ich es kommen sah, war da eine größere, aufregendere, überwältigendere Form von Freude, wenn wir uns wiedersahen. „Schmetterlinge im Bauch“ beschreibt dieses für mich neue Gefühl wirklichlich sehr gut. So fühlt sich also Romantik an. Faszinierend.

Ich kann jedoch froh sein, nicht so schnell romantische Gefühle zu entwickeln. Bei meiner Arbeit muss ich mich nicht an die Regel aus dem Film „Pretty Woman“ halten, dass eine* Sexarbeiter*in ihre Kund*innen keines Falls küssen sollte, sonst kämen Gefühle ins Spie. An diese Regel halten sich einige Kolleg*innen tatsächlich. Nein, ich kann recht authentischen „Girlfriend-Sex“ anbieten. Manchmal bin ich sogar für romantische Klischees wie ein Abendessen bei Kerzenschein zu haben. Dass es okay sein kann, wenn ich mich da nicht ganz angemessen verhalte, weiß ich ja aus „Pretty Woman“.


Noam:

Hinweis: In diesem Beitrag werden Gewalt in Beziehungen und selbstdestruktives Verhalten erwähnt.

Ich bin genderqueer und bisexuell. Und bipolar. Oder zumindest liege ich auf dem bipolaren Spektrum, weiss aber noch nicht wo. Zwischenzeitlich wusste ich nicht ob meine Neurodivergenz sich auf mein Geschlecht oder meine Sexualität auswirkt.
Ersteres kann ich inzwischen mit Sicherheit sagen: nein. Zweiteres: schon irgendwie. In selbstzerstörerischen Zeiten scheine ich mehr auf Männer zu „stehen“. Ausserhalb dessen hatte ich Crushes auf alle Möglichen Menschen mit verschiedenen Geschlechtern. Das hat mich zwischenzeitlich sehr fertig gemacht, inzwischen kann ich besser damit umgehen.

Ich bin tendenziell in eher stark sexuellen Phasen in Beziehungen geschlittert. Im Laufe derer konnte das dann aber auch ins krasse Gegenteil umschwanken. Ich dachte dann etwas stimme mit der Beziehung nicht (Ursache-Wirkung Depressionen und so)
Manchmal war da was dran, manchmal auch weniger. In meiner ersten Beziehung erfuhr ich dafür Gewalt. In den darauffolgenden tat ich sie mir eher selbst an aus Angst vor dem was ich in der Ersten gelernt hatte.

Vor allem in der (hypo?)manie als auch in gemischten Episoden war destruktiver Sex Teil von meinem Leben.

In diesen Momenten war mir mein Gegenüber eigentlich egal (manche von ihnen mochte ich nicht mal. Auch den Sex mochte ich nicht), was mich zwischenzeitlich an meiner Bisexualität hat zweifeln lassen.

Hatte das tatsächlich noch mit Begehren zu tun oder war das einfach nur mein unkontrollierbares Ich?

Etwa 2010/11 hatte ich dann meinen bislang heftigsten Zusammenbruch. Nachdem ich danach einigermassen meine Wunden geleckt hatte konnte ich auch wieder zarteres Begehren empfinden und fand mich angenehm überrascht wie vielseitig dieses doch sein kann. Wie fein und unterschiedlich und wunderschön. Das war auch der Moment in dem ich Bi als Identität für mich zurückerobern konnte.

In der Scherbenreichen Zeit nach dem Zusammenbruch, nach der Depression und inmitten einer gemischten Episode durch die Medikamente, lernte ich dann meinen jetzigen Partner kennen.

Vor allem in gemischten Episoden empfinde ich sexuelles Begehren nicht immer als angenehm, als ein wenig überwältigend und hart. Diese Zwischenebe der Zärtlichkeit fehlt, die Ruhe fehlt. Es kann Spaß machen, es kann aber auch zerstören. Jemanden zu haben der immer wieder nachfragt „möchtest du das gerade?“ hilft mir mich nicht im Rausch zu verlieren. Auch wenn es erst seltsam war. Überhaupt war es seltsam gefragt zu werden.

Ich bin sicher nicht die einfachste Person um eine Beziehung zu führen, aber in dieser habe ich gelernt das es nicht unmöglich ist. Jede Episode ist auf ihre eigene Weise in Ordnung hier. Ich darf meinen Partner auch unabhängig von Sex lieben. Ich glaube das ist das Neuste für mich.

Es ist nicht immer leicht, Begehren immer wieder anderst (oder gar nicht) zu spüren. Zu akzeptieren dass auch meine Sexualität schwanken kann war schwer.

Also ja, ich glaube es wirkt sich sehr auf meine Beziehung aus, aber macht mich nicht unliebbar, auch wenn ich das zwischenzeitlich geglaubt habe.


Lian:

Hinweis: In diesem Beitrag wird Gewalt in Beziehungen erwähnt.

Beziehungen finde ich schwierig.

In dieser Hinsicht (und auch in anderen Bereichen) fühle ich meine Eigenschaften sehr treffend von der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung beschrieben: Ich habe große Probleme damit, emotionale Nähe aufzubauen und zuzulassen. Es fällt mir schwer, anderen Menschen zu vertrauen. Ich gehe Menschen meistens aus dem Weg, auch, wenn ich sie eigentlich mag. Es gibt immer nur sehr wenige Leute in meinem Leben, die ich nicht aktiv vermeide, und das hat noch mit keinem Menschen länger als ein paar Jahre angehalten.

Ich kann mich bei weitem nicht genug auf andere Leute einlassen, um an Beziehungen auch nur zu denken. Schon die Vorstellung, jemanden emotional so nah an mich heranzulassen, macht mir Angst. Es ist mir unheimlich, einer anderen Person so viele Möglichkeiten zu bieten, mich zu verletzen. Es ist mir unangenehm, mich so angreifbar zu machen.

Dazu kommt, dass das Einleiten und Aufrechterhalten von Beziehungen viel Mut und Energie braucht, die ich nicht habe.

Daher bezeichne ich mich als aromantisch. Ich weiß nicht, was meine romantische Orientierung wäre, wenn ich diese Schwierigkeiten mit Nähe und Vertrauen nicht hätte.

Ich bin also wegen meiner Neurodivergenzen aromantisch.

In der Vergangenheit hatte ich zwei längere Beziehungen. In einer davon war mein Partner gewalttätig. Ich blieb in der Beziehung, weil ich dachte, es wäre normal, und weil ich die finanzielle und materielle Sicherheit brauchte, die ich durch die Beziehung erlangte. Es war mir nicht möglich, Manipulation als solche zu erkennen.

Nach dem Ende dieser Beziehung fing ich bald eine neue Beziehung mit einem sehr liebevollen Partner an. Für mich war die Beziehung trotzdem nur der Versuch, existenzielle Sicherheit zu erlangen, mich „normal“ zu fühlen und den gesellschaftlichen Erwartungen an meine Sexualität und Romantik gerecht zu werden. Als mir das bewusst wurde, beendete ich die Beziehung.

Seitdem hatte ich nie das Bedürfnis, eine neue Beziehung anzufangen. Das ist okay.

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Ich entscheide mich dafür, behindert zu sein.

Hinweis: Dieser Text thematisiert Ableismus, Suizidgedanken und Selbstverletzung. Er enthält ableistische Begriffe, erwähnt Schwierigkeiten mit Essen und erwähnt Gewalt und Mobbing.

Es kostet einen hohen Preis, sich zu verstellen

Ich habe fast mein ganzes Leben lang versucht, möglichst „normal“ zu wirken. Das fing an, als ich als Kind emotionale Gewalt, Ausgrenzung, Drohungen und Beschimpfungen erlebte, weil ich mich zu „behindert“, zu „komisch“ und „unheimlich“ verhielt. Mir wurde regelmäßig erklärt, ich sei „verrückt“, „psycho“, ich würde „ins Irrenhaus“ gehören, ich würde mich „wie so ein Autist“ verhalten und vieles weitere.

So lernte ich schon früh, dass ich meine „ungewöhnlichen“ Verhaltensweisen um jeden Preis verstecken musste. Das gelang natürlich nicht immer. Meine Körpersprache, das ewige Zappeln und mein ständiges Stimming, meine ungewöhnliche Körperhaltung, meine weinerlichen Reaktionen auf Toilettenspülungen, volle Busse, helles Licht, mein unbeholfenes Sozialverhalten und Reaktionen auf emotionale Überlastung ließen mich immer irgendwie „anders“ erscheinen. Ich hatte Hobbies, für die ich ausgelacht wurde, weil sie „ungewöhnlich“ waren.

Meine Entwicklung brauchte in vielen Bereichen einfach viel, viel länger als bei anderen Menschen. Ich schaffte es nie, mein Zimmer ordentlich zu halten. Es war teilweise so schmutzig, dass ich Ungeziefer unter dem Bett hatte.

Mit zehn spielte ich noch heimlich in meinem Bett mit meinen Fäkalien. Körperpflege fiel mir schwer: Ich putzte mir nur selten die Zähne. Ich wusch mir meine Haare nicht und badete wochenlang nicht. Ich warf meine getragene Kleidung auf den Fußboden in meinem Zimmer und wenn der Kleiderschrank leer war, zog ich irgendwas aus dem Haufen heraus und zog es an, egal, wie schmutzig es war. Als ich mit zwölf anfing, unter den Achseln zu schwitzen, war ich davon überfordert und hörte erstmal komplett damit auf, T-Shirts zu wechseln.

Ich war vergesslich. Ich vergaß Hausaufgaben. Ich vergaß meinen Rucksack in der Schule oder zu Hause. Ich stand überrascht und ohne das benötigte Fahrrad vor der Schule, als Verkehrs-Schulung war – obwohl wir am Vortag darüber gesprochen hatten. Ich ging nach dem Sportunterricht ohne Hose nach Hause. Ich vergaß Abmachungen, Termine, Regeln, Anweisungen, Namen – so ziemlich alles.

Natürlich machten diese Schwierigkeiten mich zu einem optimalen Mobbing-Opfer in der Schule und in Freizeit-Veranstaltungen.

All das brachte meine Aufsichtsperson nicht etwa auf die Idee, Hilfe zu holen. Statt dessen schrie sie mich an – denn für sie war klar, dass ich das alles mit Absicht machte: „Du bist doch so schlau.“

Die Tatsache, dass ich schnell lernen konnte und, wenn ich einen guten Tag hatte, in der Schule gute Leistungen bringen konnte, war auch für meine Lehrer*innen ein eindeutiges Zeichen, dass ich nur nicht „wollte“ und „faul“ war.

Je bewusster ich mir über meine Andersheiten wurde, desto stärker kämpfte ich dagegen an. Jede Kleinigkeit hinterfragte ich danach, ob sie „normal“ genug war.

Ich hörte auf, meine Arme beim Gehen oder Sitzen nach oben zu halten, weil das „komisch“ aussah. Ich hörte auf, auf T-Shirts herumzukauen, weil davon der Kragen ausleierte und das „hässlich“ war.

Ich hinterfragte jede Minute meine Körperhaltung. War ich zu verkrampft? Zu schief? Die Beine darfst du nicht zweimal umeinander schlagen, das sieht auch „komisch“ aus. Nein, du darfst nicht nervös zwinkern. Hör auf mit dem Schaukeln, hör auf zu zappeln, das sehen doch die anderen.

Ich konnte nicht alles unterdrücken: Ich hörte nie wirklich damit auf, zu zappeln (ADHS, juhu). Ich biss mir die Finger blutig (mach ich noch immer). Ich konnte es mir nicht abgewöhnen, Papier zu essen.

Als Teenager fing ich an, mich selbst zu verletzen, weil meine Meltdowns als bösartige Wutanfälle interpretiert wurden. Selbstverletzung war das einzigste, was Meltdowns abbrechen konnte und auf diese Art und Weise Strafen für diese „Wutanfälle“ verhindern konnte.

Mit der Zeit entwickelte ich langsam die Fähigkeit, mit einigen Dingen klarzukommen, die vorher schwierig für mich waren. Bis ich achtzehn war, hatte ich meine Körperpflege einigermaßen im Griff. Bis ich zwanzig war, hatte ich mir durch ungebetene Kommentare anderer Menschen einigermaßen zusammengereimt, was „angemessene“ Kleidung war und wie oft ich sie zu wechseln hatte. (Das mit dem Sauberhalten meines Lebensraums schaffe ich bis heute nicht.)

Das machte den Weg frei für Überkompensation: Jeden Tag duschen und Beine rasieren. Dreimal am Tag Zähne putzen. Mich selbst dafür hassen, „komisch“ zu sein. Meine eigenen Reaktionen verachten. Meine Wahrnehmung nicht ernst nehmen: Salzige Erdnüsse dürfen nicht wehtun, weil sie „normalen“ Leuten nicht wehtun. Duschen müssen angenehm sein, nicht schlimm, weil „normale“ Leute Duschen gut finden. Sex musst du mögen, nicht eklig finden, weil „normale“ Leute Sex toll finden.

Ich konnte so vieles nicht selbst einschätzen und verließ mich zu 100% auf die Meinung anderer – was spätestens dann explodierte, wenn verschiedene Leute widersprüchliche Meinungen hatten.  

Also gab es Menschen, deren Meinung wichtiger war als die anderer Menschen. Ich konnte nur Klamotten anziehen, von denen nahestehende Leute mir sagten, dass sie okay aussahen. Nur Frisuren tragen, von denen sie mir sagten, dass sie okay waren. Nur Hobbies haben, von denen sie mir sagten, dass es gute Hobbies waren. Nur Dinge mögen, die sie auch mochten. Sie hatten dadurch viel Kontrolle über mich, oft, ohne es zu bemerken.

Ich hörte auf jeden Kommentar, auch, wenn er an ganz andere Leute gerichtet war – alles war gut genug, um für mich zur Richtlinie zu werden, wie ich auszusehen, mich zu bewegen, zu kleiden, zu verhalten hatte; was ich denken-fühlen-mögen sollte.

Die Kompensationsstrategie für die Vergesslichkeit war Panik: Wenn ich alle 5 Sekunden an ein Ding denke, weil ich Panik davor habe, kann ich es nicht vergessen. Wenn ich andauernd Panik habe, irgendwas vergessen zu haben, ist es wahrscheinlicher, dass ich mich wieder daran erinnere.

Den ganzen Tag aufgeregt und panisch zu sein, sorgt also dafür, dass ich Ansprüchen von außen besser gerecht werden kann. Mich auf Brechen und Biegen nach völlig willkürlichen Regeln zu richten, die ich mir aus dem Verhalten meines Umfeldes ableite, macht mich weniger auffällig. Mein ganzes Verhalten, Leben, Fühlen von anderen, neurotypischeren Menschen verifizieren zu lassen, lässt mich „normaler“ wirken.

Es macht mich auch kaputt.

Diese ständige Selbstkontrolle ist ein massiver Dauerstress. Es gibt kein Loslassen, kein Abschalten, keine Ruhe: Auch, wenn du alleine bist, kontrollierst du jede deiner Bewegungen, dein Aussehen, deine Gedanken und Gefühle. Wenn du mit anderen Menschen zusammen bist, suchst du ständig nach Hinweisen, wie du dich verhalten musst.

Es gibt keine Rückzugsorte, denn vor der verinnerlichten Kritik kannst du dich nicht verstecken.

Das ist der Preis, den Leute wie ich fürs „Normalsein“ bezahlen.

Weil es eben nicht allen so geht

Und dann wird uns ständig gesagt: „Das geht doch allen so.“ (Der Spruch ist das Zwillingskind von „stell dich nicht so an“.)

Wenn du darüber redest, wie beschissen es dir mit vielen Dingen geht, bekommst du endlos viel Bestätigung, dass das eine völlig normale Erfahrung wäre.

„Niemand geht gerne arbeiten.“ Wie viele Leute bekommen Suizidgedanken, wenn sie an Arbeit denken? Wie viele Leute denken jeden Tag auf der Arbeit: „Das hier bringt mich um“? Wie viele Leute sitzen auf der Arbeit heulend auf dem Klo und hauen den Kopf gegen die Wand? Wie viele Leute verstecken sich im Keller, um ein paar Minuten Ruhe zu haben vor dem Lärm, den Lichtern, den Menschen, den ganzen DINGEN, die dort passieren?

„Es ist normal, ein bisschen vergesslich zu sein.“ Wenn das so wäre, wäre „ich hab meine Hausaufgaben vergessen“ keine „billige Ausrede“. Dann würde es Leuten nichts ausmachen, wenn du ihren Geburtstag vergisst. Es wäre nicht peinlich, bei der Ärztin einen neuen Termin ausmachen zu müssen, weil du vergessen hast, dass heute ja schon Mittwoch war.

Aber das begriff ich nicht. Ich glaubte, was mir gesagt wurde: „Das ist normal. Du bist normal.“

Ich erwartete von mir, genauso viel zu können wie alle anderen. Kein Problem zu haben. Telefonieren musste ich aushalten können. Den Lärm musste ich aushalten können. Es musste okay für mich sein, dass meine Gedanken auf ein bestimmtes Thema gezwungen wurden, dass kein Platz war für die Dinge, an die ich denken wollte. Fühlt es sich für alle Menschen so an, wie ihr ganzes Bewusstsein aus ihrem Kopf zu popeln, wenn sie Gedanken an ein bestimmtes Thema unterdrücken müssen, weil sie sich auf etwas anderes konzentrieren sollen?

Kriegen alle Leute Herzrasen, wenn das Telefon klingelt? Kriegen alle Leute es manchmal einfach nicht hin, gesprochene Sprache zu verstehen? Sind alle Menschen von früh bis spät angespannt und panisch, weil sie die Liste von Dingen, die sie erledigen müssen, alle paar Sekunden wiederholen müssen, um sie nicht zu vergessen? Frieren alle anderen auch manchmal einfach ein und können sich mehrere Minuten lang gar nicht mehr bewegen?

Ist es üblich, alle 3 Minuten auf die Uhr zu schauen, damit du weißt, wie viel Zeit vergangen ist? Müssen alle Leute sich schon Stunden, bevor sie einen Termin haben, in ein hohes Stresslevel versetzen, um nicht zu vergessen, dass sie noch was vorhaben?

Sind wirklich alle anderen auch jeden Tag, an dem sie mit Wecker aufstehen müssen, so müde, dass sie sich bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung fragen, wann sie endlich zusammenbrechen? Dass sie darauf hoffen, von einem Auto angefahren zu werden oder einfach bewusstlos oder tot umzufallen, damit sie endlich, endlich ausruhen können?

Kämpfen alle Leute mit den Tränen, wenn der Lärm und die Menschen und das Denken und das Erinnern und das DINGE TUN einfach zu viel sind? Jeden Tag?

Nein.

Aber das hat mir niemand gesagt. Sie haben sich mein Gejammer angehört und gesagt: „Das geht doch jedem mal so.“

Ich zwang mich dazu, Dinge zu tun, die mir schadeten. Ich ignorierte meine Schmerzen in lauten Umgebungen, die anderen Leuten nichts ausmachten. Ich achtete nicht darauf, welches Essen ich überhaupt essen konnte, sondern aß dann halt weniger, wenn mir der Geschmack zu intensiv war. Wer braucht schon Nährstoffe?

Ich erlaubte mir nicht, zu sagen, wie viel Kraft es mich kostete, Dinge zu tun, die anderen Menschen selbstverständlich vorkamen. Ich durfte es nicht zeigen, denn das wäre nicht „normal“ gewesen.

Ich konnte mir nicht einmal selbst eingestehen, dass es mich überlastete und kaputt machte. Ich hatte keine Worte dafür. Ich hatte kein Verständnis für diese Form von Überlastung.

Ich war allein mit dieser Erfahrungswelt. Es gab keine Menschen in meinem Leben, die mich verstanden, wenn ich sagte: „Der Tag war einfach zu viel.“ Oder: „Ich kann heute keine Musik ertragen.“ Oder: „Ich kann da nicht anrufen.“

Die einzige zuverlässige Antwort auf solche Aussagen war eben diese: „Das geht doch allen mal so.“

Wenn „ich schaffe das nicht“ mutiger ist als „ich schaffe das“

Mir war klar, dass ich mit vielen Dingen Schwierigkeiten hatte, die anderen leicht fielen. Aber es wurde mir nicht geglaubt. Statt dessen wurde mir großzügig versichert, dass ich es sehr wohl hinkriegen würde.

Mir war schon gegen Ende der Schulzeit klar, dass ich einen Arbeitsalltag nicht aushalten würde, denn bereits der stressarme Schulalltag, in dem ich nur meine Zeit absitzen musste und unter der Bank zeichnen, schreiben, lesen, oder einfach vor mich hinträumen konnte, überforderte mich stark. Aber auf meine Zweifel bekam ich stets dieselbe Antwort: „Da gewöhnst du dich dran. Das schaffst du schon.“

Ich sagte, dass ich Angst davor hatte, allein an einen fremden Ort zu fahren. „Das schaffst du schon.“

Ich wurde nach 2 schlaflosen Nächten und den Tränen nahe in einem Stadtviertel, in dem ich mich nicht auskannte, allein gelassen: „Die Bushaltestelle ist in diese Richtung. Das findest du schon.“

Wenn ich jemanden bat, mich abzuholen, war die Antwort: „Du kennst doch den Weg. Das findest du schon.“

Jedes Mal, wenn ich Zweifel an meinen Fähigkeiten äußerte, wurde mir bestätigt, dass ich es schon schaffen würde. Das ist nett gemeint, aber es schadete mir massiv:

Denn ich glaubte anderen Menschen diese Fehleinschätzung. Ich glaubte ihnen, dass ich „normal“ war. Ich glaubte ihnen, dass ich genau die gleichen Fähigkeiten hatte wie die anderen „normalen“ Menschen.

Das überlastete mich nicht nur gnadenlos, sondern brachte mich auch oft in gefährliche Situationen. Ich fuhr allein in fremde Städte. Ich hatte allein in fremden Städten Meltdowns. Ich irrte heulend mit kiloschwerem Gepäck nachts durch fremde Städte. Ich wurde von Leuten ausgenutzt, die erkannten, wie aufgelöst und hilflos ich war. Ich hatte keine Ahnung, warum mir so etwas passierte, warum ich nicht, wie alle anderen „normalen“ Menschen, mit solchen Situationen zurechtkam.

Mit irgendwelchen Leuten Treffen ausmachen? Kein Problem. Machen ja alle. Nur, dass ich die Leute und Situationen oft komplett falsch einschätzte, was wiederum oft zu Belästigungen und unangenehmen Situationen führte.

Beziehungen? Kein Problem. Machen ja alle. Das resultierte für mich in fünf Jahre Gewaltbeziehung.

Arbeiten? Kein Problem. Neben dem Studium jobben? Kleinkram. Ich verstand nicht, warum ich alle 2-3 Jahre komplett zusammenbrach und gar nichts mehr machen konnte.

Vollzeitjob? „Du bist doch so schlau. Du gewöhnst dich dran.“ Ich glaubte ihnen.

Nach dem Ende meines Studiums dauerte es noch 6 Monate, bis ich endgültig zusammenklappte. Als mein Bachelorzeugnis im Briefkasten war, war ich schon arbeitsunfähig geschrieben.

Ich hab mich nicht daran gewöhnt.

Wenn ich mir wirklich Mühe gebe, kann ich „normal“ wirken.

Jeder Muskel in meinem Körper muss mir bewusst sein. Ich muss sie alle bewachen, damit auch ja keiner anfängt mit dieser wohligen, rhythmischen Bewegung.

Meine Ohren müssen gespitzt sein. Ich muss jeden Ton in meiner Umgebung in mich aufsaugen, gesprochene Worte mit höchster Konzentration herausfiltern – und ich verstehe doch nur die Hälfte – und das, was ich nicht verstehe, aus dem Kontext herleiten. Ich muss lächeln. Ich muss die Leute anschauen. Aber nicht zu lange! Wie lange ist „normal“? Ich muss lügen, weil das schneller geht als Nachdenken – irgendwas nacherzählen, was ich schonmal von irgendwem gehört habe, weil ich keine Zeit hab, in mir selbst nach einer Antwort zu suchen. Es geht nicht darum, was für ein Mensch ich bin. Es geht nicht darum, was ich mag, was ich denke, was ich fühle. Es geht nur darum, „normal“ zu wirken.

Wenn ich mir wirklich Mühe gebe, kann ich „normale“ Dinge tun.

Ich muss Aufgaben erfüllen, die mich zum Heulen bringen. Ich muss mich durch knirschende Zähne, höllische Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und bleierne Erschöpfung kämpfen. Ich muss die körperlichen Überlastungsreaktionen hinnehmen. Ich muss die Suizidgedanken akzeptieren und verschweigen. Ich muss die Panik verstecken. Ich muss den Selbsthass runterschlucken.

Ich muss so viel Kaffee in mich reinschütten, dass mir schlecht davon wird. Ich muss mich durch Alpträume und Sekundenschlaf und Zitter-Anfälle und Meltdowns prügeln, um noch einen Arbeitstag vor dem Wochenende schaffen zu können. Ich muss das Wochenende im Bett verbringen und versuchen, bis Montag wieder geradeaus laufen zu können.

Ich darf die Dinge nicht tun, die es erträglicher machen würden, weil ich dann nicht mehr „normal“ wirken würde.

Es geht nicht darum, dass ich einen aushaltbaren Alltag habe. Es geht nicht darum, mich mit meinen Tätigkeiten wohlzufühlen. Es geht nicht darum, ein lebenswertes Leben zu führen. Es geht nur darum, genausoviel hinzukriegen wie alle anderen „normalen“ Menschen auch.

Ja: Wenn ich mir wirklich Mühe gebe, kann ich „es schaffen“. Für eine Weile. Bis ich zusammenbreche – oder sterbe.

Nach dem letzten Zusammenbruch habe ich mich dagegen entschieden.

Ich versuche nicht mehr, Menschen in die Augen zu schauen, wenn ich mit ihnen rede, wenn mir das unangenehm ist. Ich versuche nicht mehr, stillzuhalten, wenn ich mich bewegen muss. Ich beiße nicht mehr die Zähne zusammen, wenn es zu laut und zu hell und zu viel ist, sondern ich schütze mich davor. Ich kaufe kein „normales“ Essen mehr, sondern solches, das ich auch essen kann. Ich riskiere nicht mehr meine Sicherheit, indem ich mir ohne Begleitung Aktionen vornehme, die mich überfordern.

Ich gehe nicht mehr arbeiten.

Ich entscheide mich dagegen, mein Leben zu riskieren, nur um kapitalistischen Ansprüchen zu genügen.

Ich entscheide mich dagegen, jeden Tag nur zu überstehen, statt ihn zu erleben.

Ich entscheide mich dafür, meine Einschränkungen zu akzeptieren.

Ich entscheide mich dafür, mich zu schützen. Mein Leben zu schützen.

Ich entscheide mich für mich.

Und das bedeutet: Ich entscheide mich dafür, behindert zu sein.

Binder: Infosammlung

Binder sind eine Wissenschaft für sich. Weil sie auch nicht gerade billig sind, ist es schwierig, viele durchzuprobieren – und möglichst der erste sollte zufriedenstellend passen. Hier meine kleine Zusammenfassung von allem, was ich weiß, in der Hoffnung, dass es irgendwem was bringt.
Wenn ihr Erfahrungsberichte, Fragen, Hinweise, Anmerkungen und Ergänzungen habt, meldet euch! Ich werde auch gern den Artikel um mehr Infos (oder Links oder Fotos) erweitern.

Einige Infos vorneweg

  • Binder sind nicht gesundheitsschädlich. Ja, wenn ihr monatelang jeden Tag einen Binder tragt, wird sich das Gewebe anpassen und eure Brüste werden danach auch ohne Binder platt gequetscht aussehen. Das ist nicht gefährlich.
  • Zu enge Binder, billige Binder und Bandagen können sehr wohl gesundheitsschädlich sein! Das kann sogar soweit gehen, dass deine Knochen sich verschieben (!!!). Trage keinen zu engen Binder oder selbstgemachte Bandagen, und besonders nicht, wenn du noch nicht komplett fertig gewachsen bist!
  • Ein Binder sitzt richtig, wenn er die Brüste platt drückt, aber am Rest vom Körper nur gut anliegt. Er darf nirgendwo anders quetschen. Fettgewebe in Form schieben ist okay – Striemen hinterlassen oder wirklich Druck ausüben ist NICHT okay.
  • Es ist möglich, in einem Binder unbehindert zu atmen. Wenn du in deinem Binder nicht gut atmen kannst, trägst du den falschen Binder. Wähle eine größere Größe oder einen Binder aus elastischem Material.
  • Sport-BHs haben eine andere Funktion als Binder. Um die Brüste platt zu drücken, muss oft eine sehr kleine Größe gewählt werden, und das ist gesundheitsschädlich.
  • Binder funktionieren nicht für alle. Manche Leute mögen den Druck auf der Brust nicht. Andere Leute bekommen von einem stramm sitzenden Binder einen Juckreiz, der sie sehr stört. Manche Leute können sich an diese Dinge gewöhnen, andere nicht.
  • Binder sind keine Pflicht. Nein, auch ein Transmann muss keinen Binder tragen, wenn er das Gefühl nicht mag, sich keinen leisten kann oder aus irgend einem anderen Grund eben keinen Binder trägt. Deal with it.
  • Um die Größe für den Binder zu messen, … nein, ich gebe auf. Du musst auf der Website des Herstellers schauen, weil sie alle ihre eigenen Maßtabellen und Messsysteme haben. Manche wollen, dass du an der weitesten Stelle der Brust misst, andere wollen, dass du oberhalb der Brust misst, andere wollen den Wert von unterhalb der Brust. Viel Glück.

Einige Hersteller/Händler

Hilfreiche Links

Ich würde so gern Binder tragen, aber…

  • …ich habe das Gefühl, keine Luft zu bekommen / fühle mich eingeengt: Wähle einen halb langen Binder aus dünnerem, elastischen Material (je kürzer, desto besser), z.B. Danae Trans-Vormer Basic, und geh vielleicht eine Größe hoch. Die Brust wird dann ggf. nicht ganz so flach wirken. Unter Umständen ist aber auch ein Binder mit Klettverschluss sinnvoll (z.B. T-Kingdom 1480 oder Danae mit Klettverschluss), der sich bei Bedarf lockern lässt.
  • …es sieht komisch aus, macht komische Wulste: Versuch mal, eine Größe hochzugehen (ja). Das passiert meist bei großen Brüsten. Mit einem größeren Binder hast du mehr Spielraum, um das Gewebe in Form zu bringen. Zusätzlich kann es hier sinnvoll sein, einen langen Binder zu wählen.
  • …ich bin nicht so gelenkig und kann mir so etwas enges nicht über den Kopf ziehen: Binder, die einen Verschluss auf der Vorderseite haben, sind sehr leicht anzuziehen.

Auswahl des richtigen Binders

  1. Verschlussart

    Die Verschlussart bestimmt, die einfach oder schwer der Binder angezogen werden kann, wie stramm er sitzen kann und wie er ggf. durch die Kleidung hindurch zu sehen ist.

    1. Reißverschluss
      Vorteile: Mit einem Reißverschluss (bei Danae auf der Vorderseite) ist der Binder sehr einfach anzuziehen. Er kann auch relativ fest verarbeitet werden und dadurch sehr stramm sitzen, ohne beim Anziehen ein zu großes Problem darzustellen.
      Nachteile: Ein Binder mit einem Reißverschluss ist nicht verstellbar. Er passt entweder, oder eben nicht. Außerdem ist der Reißverschluss durch dünne Kleidung zu sehen. Der Ausschnitt sitzt auch oft sehr weit oben, sodass er nur unter Shirts mit sehr engem Ausschnitt verschwindet.
    2. Klettverschluss
      Vorteile: Mit einem Klettverschluss (Bei T-Kingdom unter der Achsel, bei Danae auf der Vorderseite) ist der Binder einstellbar. Er kann stramm angelegt werden oder bei Bedarf gelockert werden. Es ist auch festes Material verwendbar. Er passt sich an die Körpergröße an. Der Verschluss unter der Achsel ist nur bei ärmellosen oder sehr engen Shirts ein optisches Problem. Außerdem kann der Klettverschluss helfen, sehr widerspenstige Brüste in Form zu drücken, weil er auch schräg geschlossen werden kann.
      Nachteile: Das Schließen des Klettverschlusses unter der Achsel kann ohne Hilfe in eine ziemliche Fummelei ausarten. Ich fand es sehr anstrengend. Auf der Vorderseite ist es allerdings ziemlich einfach.
    3. Häkchen
      Vorteile: Mit Häkchen (habe ich bisher nur unter der Achsel gesehen) lässt sich der Binder sehr einfach verschließen. Die Angelegenheit ist außerdem etwas flacher und weniger störend als ein Klettverschluss. Durch die Verschlussmöglichkeit kann er stramm sitzen und mit relativ weitem Ausschnitt geschnitten werden, sodass er optisch kaum stört.
      Nachteile: Wenn nur eine Reihe Häkchen gesetzt ist, ist der Binder nicht einstellbar.
    4. Kein Verschluss – zum Überziehen
      Vorteile: Ein Binder ohne Verschluss verschwindet unter den meisten Shirts, auch unter ärmellosen Hemden. Es gibt Menschen, die sie einfacher zum Anziehen finden – das ist nicht meine Erfahrung.
      Nachteile: Ich finde sie verdammt schwer anzuziehen. Wenn ein Binder ohne Verschluss stramm sitzen soll, ist es für mich eher schmerzhaft, ihn über die Arme zu ziehen. Wenn er groß genug ist, damit ihn bequem anziehen kann, quetscht er mir nicht genug, um ihn unter einem T-Shirt zu tragen. Weiterhin ist er ebenfalls nicht einstellbar. Die Größe muss das Optimum zwischen „Ich kann ihn anziehen“ und „Er macht die Brüste platt“ sein – das heißt viel Durchprobieren.
      Hinweis: Manchmal wird empfohlen, diese Binder „von unten“ anzuziehen, also mit den Beinen zuerst. Wie das gehen soll, ist mir völlig unverständlich, weil ich nach wenigen Zentimetern auf unüberwindbare Hüftknochen stoße. Aber vielleicht bringt es ja wem was.
  2. Größe

    Selbstredend ist die Größe des Binders ein wichtiger Faktor. Welche Größe optimal ist (eher die größere oder die kleinere?) hängt sehr von der Verarbeitungsart des Binders ab. Insbesondere die Verschlussart spielt eine große Rolle.

    Bei einstellbaren Verschlussarten (Klettverschluss oder Häkchen mit mehreren Reihen) besteht viel Spielraum und der Binder kann an den eigenen Körper optimal angepasst werden.

    Aufpassen: Wenn der Binder zu klein ist, wirst du ihn trotzdem nicht anziehen können!

    Ein Binder ohne Verschluss, der zu klein ist, lässt sich nicht anziehen.
    Nein, auch nicht mit Luft Anhalten und Quetschen und ziehen. Du wirst ihn nicht über bekommen. Punkt.

    Verschiedene Hersteller bieten verschiedene Größen an. Was beim einen Hersteller S heißt, heißt beim anderen XS oder M. Im Zweifelsfalle nachmessen und die Größentabelle des Herstellers anschauen!
    Der kleinste Binder, den ich bisher gefunden habe, ist Größe XXS von gc2b, bei 71 cm Brustumfang (ich würde sogar sagen, eher kleiner, aber das steht halt in der Größentabelle). Die größten Binder, die ich bisher gesehen habe, finden sich bei Underworks und gehen bis über 140 cm Brustumfang.

  3. Waschen

    Manche Binder lassen sich nur mit der Hand waschen. Von Underworks habe ich gelesen, dass sie ziemlich zerfleddern, wenn sie mit der Maschine gewaschen werden.
    Gc2b empfiehlt Handwäsche, schreibt aber gleich dazu, dass du den Binder auch in die Maschine werfen kannst.
    Die Binder von Danae gehen ebenfalls in die Waschmaschine.
    Falls möglich, ist es natürlich schonender, einen Binder mit der Hand zu waschen. Er wird dann einfach länger halten.

  4. Material und Verarbeitungsart

    Die Materialien und Verarbeitungen, die ich bisher kennengelernt habe, sind folgende:

    1. Elastisches Material ohne Stütznähte (z.B. Danae Trans-Vormer Basic)
      Binder aus elastischem Material ohne Stütznähte sind sehr gut geeignet, um sie einfach überziehen zu können. Der Effekt wird entsprechend geringer ausfallen, dafür ist der Tragekomfort sehr hoch.
    2. Das Modell Brustpanzer (z.B. T-Kingdom Model 1480)
      Das Modell Brustpanzer besitzt an der Vorderseite einen sehr steifen, unelastischen Teil aus sehr dickem Material. Dieser kann Unebenheiten etc. sehr gut kaschieren.
    3. Unelastisches, dünnes Material (z.B. die 5-Euro-Ebay-Variante)
      Billiges Zeug. Sie sind aber nur genau dann ungefährlich, wenn du ganz tief einatmen kannst, ohne Widerstand zu spüren. Das bedeutet auch, dass solche billigen Binder nur ungefährlich sind, wenn sie die Brüste nur ein bisschen abbinden.
    4. Festes, mehrlagiges Material mit Stütznähten (z.B. gc2b), bzw. einfach sehr festes Material (Danae mit Option „extra fest“)
      Binder, die sehr fest verarbeitet sind, sind entsprechend schwierig anzuziehen. Der Effekt ist dafür besser. Es fühlt sich meiner Meinung nach aber auch sehr einengend an. Wenn du das Gefühl hast, in deinem Binder keine Luft zu kriegen, wähle dünneres Material. Der Vorteil von Stütznähten ist, dass sie die Brüste besser in Form halten und ein Verrutschen behindern.
    5. Fest verarbeitetes, aber immer noch elastisches Material (z.B. Danae Trans-Vormer Sport)
      Angenehm zu tragen bei gleichzeitig vernünftigem Effekt, wenn du Glück hast. Wenn du Pech hast, kann es die Brüste wie ein Sport-BH nach oben schieben und funktioniert gar nicht. Bei Rückenproblemen und Problemen mit engen Kleidungsstücken würde ich so einen Binder zuerst probieren.
  5. Länge des Binders

    1. Volle Länge bis über den Hosenbund
      Lange Binder eignen sich besonders gut, um ihn ohne etwas darüber anzuziehen. Bei dicken bzw. fetten Menschen kann ein langer Binder zusätzlich die Hüften ein wenig zusammendrücken und somit für eine geradere Körperform sorgen, die maskuliner wirkt. Außerdem ist kein ggf. abstehender Rand auf dem Bauch zu sehen und der Binder neigt weniger stark zum Verrutschen.
      Ein weiterer Vorteil ist, dass lange Binder im Winter sehr warm sind – der Nachteil ist, dass sie im Sommer ebenfalls ziemlich warm sind.
      Ein Nachteil kann sein, dass sie auch ziemlich auf den Bauch drücken. Ich fühle mich in einem langen Binder sehr eingeengt und habe das Gefühl, schlecht atmen zu können. Außerdem ist ein langer Binder ohne Verschluss natürlich noch schwieriger anzuziehen als ein kurzer.
    2. Kürzerer Binder, halbe Länge
      Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es einfach ist, sich vom BH auf einen kurzen Binder umzugewöhnen.
      Sie können weder Bauch noch Hüften in Form drücken, was je nach Vorliebe ein Vorteil oder ein Nachteil sein kann.
      Je nach Material kann ein kurzer Binder auch gut als Ersatz für ein Bikini-Oberteil geeignet sein.
  6. Brustgröße und Brustform

    Die Größe und Form der Brust ist natürlich ausschlaggebend für die Wahl des Binders. Kleine Brüste und Brüste mit breiter Wurzel, die von sich aus bereits weit hinter der Achsel verschwinden, sind am einfachsten zu kaschieren – hier würde ich empfehlen, Verschluss und Verarbeitungs-Art des Binders nach Tragekomfort auszuwählen. Bereits ein kaum drückender Binder aus elastischem Material kann einen ausreichenden Effekt erziehen. (Denkt dran: Der Brustkorb von Leuten ohne Boobs ist auch kein Brett. Eine kleine Wölbung erzielt einen natürlichen Effekt.)

    Die Binder von gc2b sollen auch für große Brüste gut geeignet sein. Generell gilt für große Brüste, dass kleiner (enger) nicht unbedingt besser ist, weil es dann keinen Spielraum mehr gibt, um das Gewebe in Form zu schieben.

    Bei Brüsten jeder Form und Größe gilt: Das Zurechtrücken des Gewebes nach dem Anziehen ist die halbe Miete! Dazu solltest du unter den Achseln unter den Binder greifen und die Brüste nach außen und unten schieben.
    Es gibt auch sehr „widerspenstige“ Brüste, die sich kaum zurechtrücken lassen bzw. sehr schnell wieder ausbrechen.
    Je nach Schnitt des Binders und Körperform kann es auch sein, dass der Binder die Brüste gar nicht abbindet oder sie sogar nach oben schiebt und noch prominenter macht. Das ist insbesondere ein Risiko, wenn der Binder keine Stütznähte hat, die die Brüste in Form bringen (z.B. Danae). Binder mit Stütznähten oder einem rauhen Innenmaterial (z.B. gc2b) können helfen, ein Verrutschen des Gewebes zu verhindern.
    Wahrscheinlich ist in so einem Fall ein maßgeschneiderter oder angepasster Binder die beste Wahl.
    Wenn du mit dieser Problematik Erfahrungen hast und eine Lösung gefunden hast: bitte sag mir, welche das war!

  7. Lieferzeit

    Wer schnell und am besten vorgestern einen Binder will, sollte nicht unbedingt aus den USA bestellen. Erfahrungsgemäß kommen Artikel aus Asien innerhalb von 1-2 Wochen, aus der EU binnen weniger Tage. Auf Bestellungen aus den USA hab ich schon monatelang gewartet. Das ist auch in Hinsicht auf möglichen Umtausch des Artikels zu beachten.

  8. Preis

    Binder sind leider ziemlich teuer. Die 5-Euro-Ebay-Variante lohnt sich nicht, da du mit deiner Gesundheit vermutlich einen höheren Preis bezahlst. Viel Unterschied gibt es bei den Bindern nicht – zusammen mit Versandkosten war ich immer bei um die 50 Euro. (An dieser Stelle der freundliche Hinweis: Wenn du einen Binder hast, den du nicht trägst, schenke oder verkaufe ihn weiter – viele von uns haben wenig Geld und haben große Schwierigkeiten, die 50€ für einen neuen, professionellen Binder auszugeben.)

Fotos und Erfahrungsberichte

High Performance Velcro Short von Lesloveboat (Juya), Größe L

bei einer BH-Größe von ca. 70E (ungefitted hätte ich wohl 75B/C getragen)

Toll: fühlt sich erträglich an.

Nervig: Der festere Stoff geht nicht über die gesamte Vorderseite, sondern endet kurz unter dem Halsausschnitt. Es ist deswegen sehr leicht, die Brüste oben herauszudrücken, wenn der Klettverschluss nicht unten deutlich weniger eng ist als oben. Dadurch steht der untere Teil aber zu weit ab und macht auch unter weiterer Kleidung eine deutliche Kante.

Der Klettverschlussteil auf der Seite ist extrem fest/dick und saß bei mir so, dass er ganz stark auf die Rippen drückte, wenn ich zB ein bisschen zusammengekauert dasaß.
Während ich den Klettverschluss meistens eng/in der Mitte zumachte, fühlte sich der Binder an den Schultern zu eng an, egal wie locker er war. Also: Nervig bewegungseinschränkend. Andererseits hatte ich nie Verspannungen (wie mit falsch sitzenden Sport-BHs immer).
Die Brüste ließen sich praktisch gar nicht in Form schieben.

Danae Trans-Vormer 102 Basic

BH-Größe ca. 65 B-C

danaebasic
Kein Verschluss, halbe Länge. Das Material ist sehr elastisch und weich. Dieser hier ist mir eigentlich ein bisschen zu groß (Größe S), aber der Effekt ist trotzdem okay. Den trage ich an Tagen, an denen ich mit dem Druckgefühl nicht klarkomme.

Danae Trans-Vormer 104 Sport

BH-Größe ca. 65 B-C

danaesport
Reißverschluss vorne, halbe Länge (Größe XS). Das Material ist immer noch elastisch, der Binder gibt sehr guten Halt und einen guten Plättungs-Effekt. Durch den Reißverschluss nur unter schlabberigen Oberteilen schön.

Danae Trans-Vormer 103 Singlet, Option Extra Fest

BH-Größe ca. 65 B-C

danaelangextrafest
Langer Binder ohne Verschluss, mit der Option „Extra fest“, Größe XS. Das Material ist sehr steif und gerade so elastisch, dass ich es aus- und anziehen kann. Nur für sehr gelenkige und leidensfähige Menschen zu empfehlen. Nächstes Mal werde ich entweder eine Größe größer nehmen oder kein extra festes Material.

T-Kingdom 1480

BH-Größe ca. 65 B-C

tkingdom1480
Klettverschluss unter der linken Achsel. Das Material auf der Brust ist sehr steif und fest – ein Brustpanzer.

Billigzeug

BH-Größe ca. 65 B-C

ebay
Billiger Noname-Binder von Ebay, der mir unvermutet gut passt. Der Verschluss ist eine Reihe Häkchen. Das Material ist dünn und unelastisch. Ich kann ihn nur deshalb tragen, weil er zwar eng genug ist, um meine Brüste abzudrücken, aber ansonsten weiter ist als mein Körper. Das bedeutet, dass der Effekt nicht besonders gut ist und dass der Binder am Bauch absteht.